KOMMENTAR

Die Chancen nach dem Coup

von Redaktion

Die Tötung Nasrallahs

Es ist ein Schlag, der in seiner Dimension nur mit der Tötung von Osama bin Laden verglichen werden kann: Hassan Nasrallah, seit 32 Jahren Chef der Terror-Organisation Hisbollah und der Todfeind Nummer eins Israels, wurde in einer spektakulären Aktion des israelischen Militärs eliminiert. Es ist der Gipfel einer ganzen Reihe von Tötungsaktionen gegen die Hisbollah-Führung, die nun nahezu vollständig vernichtet ist. Die mächtige Islamisten-Organisation, deren offenes Ziel die Auslöschung des Staates Israel ist, hat damit vorerst dramatisch an Schlagkraft verloren. Zudem sorgen diese spektakulären Erfolge des israelischen Geheimdienstes und der Armee für totale Verunsicherung im Hisbollah-Lager, denn offensichtlich gibt es hochrangige Verräter in den eigenen Reihen. Anders ist nicht zu erklären, wie der Aufenthaltsort des seit Jahren im Verborgenen lebenden Nasrallah ausfindig gemacht werden konnte.

Insofern ist Benjamin Netanjahu ein Erfolg gelungen, der die Kritik am Premier in Israel leiser werden lässt. Aber bei aller Bewunderung für die Mossad-Leistung: Die Angst vor dem großen Krieg, in den sich auch der Iran offen einmischt, treibt Araber und Israelis um. Die Eliminierung der Hisbollah-Führung wird Israel allenfalls eine Atempause verschaffen. Neue, mit noch mehr Hass auf den Judenstaat genährte Figuren werden nachrücken. Jede Bombe, die im Libanon Zivilisten tötet, jede Rakete, die im Gazastreifen Familien zerstört, schafft zu allem bereite Märtyrer. Der kurzfristige militärische Erfolg ist das eine – ein langfristiger Plan, wie sich die Regierung Netanjahu das Zusammenleben mit den arabischen Nachbarn vorstellt, fehlt nach wie vor.

Sicher, die Siege über Ägypten und andere arabische Staaten haben Kairo einst dazu gezwungen, eine Form der friedlichen Koexistenz mit Israel zu finden. Insofern kann auch Gewalt zum Frieden führen. Aber dafür muss nach all der Gewalt endlich wieder der Diplomatie mehr Gewicht gegeben werden. Der Iran steht unter dem Druck der muslimischen Welt, den Gesichtsverlust der Hisbollah irgendwie wettzumachen. Doch das Mullah-Regime, das mit großen innenpolitischen Problemen zu kämpfen hat, scheint nicht wirklich scharf darauf zu sein, den Konflikt mit Israel – und damit auch mit den USA – zu verschärfen. Das sollte der Westen nutzen.
KLAUS.RIMPEL@OVB.NET

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