Zerreißprobe für die ÖVP

von Redaktion

Österreich hat gewählt

Herzliches Beileid zum Regierungsauftrag: In Österreich darf die dauerregierende ÖVP trotz Platz 2 an der Macht bleiben, wird aber nur mit Hängen und vor allem Würgen eine Koalition zusammenbringen. Keine der beiden Optionen ist verlockend. Rechts die FPÖ, die von Hetzer, Europafeind und Russenkriecher Kickl so weit an den Rand geführt wurde, dass sie nun radikaler ist als Meloni, Le Pen und sogar Teile der AfD. Links eine SPÖ, die ihr Chef Andreas Babler („Ich bin Marxist“) in Ideologie und Traumtänzerei steuert, ähnlich EU-feindlich wie Kickl. Na, servus.

Die ÖVP durchlebt damit ein Dilemma wie die CDU- und SPD-Landesverbände in Ostdeutschland zwischen BSW und AfD. Zum Teil hat sie sich selbst in die Lage gebracht mit den Verwerfungen rund um ihren jungen Ex-Kanzler Kurz. Er hat mit seinem Scheitern größte Hoffnungen enttäuscht, eben mehr Charisma als Integrität. Nachfolger Nehammer, bei dem sich das andersrum verhält, kehrt seither die Scherben zusammen. Er hat viel richtig gemacht, hat trotz schwarz-grüner Koalition einen bürgerlichen Kurs in der Sicherheits- und Migrationspolitik durchgesetzt. Aber wird nicht wirklich belohnt an diesem Wahlabend, die ÖVP stürzt ab. Die Mitte ist ausgedörrt.

Die Regierungsbildung wird nun langwierig. Möglich, dass die FPÖ sich im Spiel hält, wenn Kickl selbst auf ein Regierungsamt verzichtet; möglich auch, dass die ÖVP Nehammer in den nächsten Wochen auswechselt. Viel Macht liegt nun beim Bundespräsidenten, der in Wien nach Wahlen eine sehr wichtige Stellung innehat: Wenn‘s gut läuft, kann er radikale, EU-feindliche Exzesse verhindern. Alexander Van der Bellen, ein hochseriöser und erfahrener Proeuropäer, hat jetzt die Last der Verantwortung, wen er als Minister ernennt und wen besser nicht.
CHRISTIAN.DEUTSCHLAENDER@OVB.NET

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