Ägypten – ein schwieriger, aber wichtiger Partner

von Redaktion

Vor der Söder-Reise nach Kairo erklärt Kenner Franz Maget das Land und seine Regierung

Franz Maget 2018 bei einem Vortrag in Kairo. © dpa

München – Am Mittwoch reist Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach Kairo. Franz Maget, einst SPD-Fraktionschef im Landtag, kennt Ägypten seit Jahren, war an der Botschaft tätig und berät das Bundesministerium für Entwicklungshilfe. Wir haben ihn um eine Einschätzung gebeten.

Herr Maget, in was für ein Land reist Markus Söder?

Er fährt in eines der wichtigsten Länder der arabischen Welt. Ein Land, das zudem im aktuellen Nahost-Konflikt eine bedeutende Aufgabe hat. Ägypten wird eines Tages eine zentrale Rolle bei einer hoffentlich friedlichen Lösung spielen. Aber in der aktuellen Situation ist dieser Besuch nicht unheikel.

Warum?

In der Bevölkerung oder bei Kulturschaffenden wird Deutschlands Haltung als zu einseitig pro Israel empfunden. Das sieht man sehr kritisch. Die Regierung will das nicht hören. Aber der 7. Oktober, der Jahrestag des Überfalls der Hamas und des Beginns des aktuellen Krieges, wird das Thema bei dieser Reise noch einmal in den Mittelpunkt rücken.

Sie sprechen die Militärregierung an. Wie ist die politische Situation?

Ägypten ist ein autoritär geführtes Land, von einer Demokratie meilenweit entfernt. Opposition gibt es kaum noch, die Muslimbruderschaft sitzt weitgehend im Gefängnis. Es gibt keine innenpolitische Entscheidung, die nicht von der Militärführung und dem Präsidenten General Abdel Fattah al-Sisi abgenickt wird.

Wie geht es der Bevölkerung?

Politisch haben sich die Menschen mit der Situation abgefunden. Wirtschaftlich geht es den meisten schlecht. Fast die Hälfte der Bevölkerung lebt an oder unter der Armutsgrenze. Das sind 40 bis 50 Millionen Menschen. Auch der Mittelstand leidet unter den ständigen Abwertungen der Währung, weil Ägypten in seiner finanziellen Situation – nach Argentinien ist es das meistverschuldete Land der Welt – die Währung immer wieder abwertet. Viele kritisieren, zumindest im persönlichen Gespräch, dass sehr viel Geld für Prestigeprojekte aufgewendet wird.

In der Wüste entsteht eine neue Hauptstadt.

Zum Beispiel. Ein Prestigeprojekt des Präsidenten, das ein Vermögen kostet und von dem die Bevölkerung nichts hat. Die Menschen leiden auch unter Umweltproblemen. Selbst entlang des Nils nimmt die Wasserknappheit zu.

Stichwort Großprojekte: Siemens baut gerade ein 2000 Kilometer langes Netz für hochmoderne Hochgeschwindigkeitszüge.

Für die deutsche Außenwirtschaftspolitik ist das ein großer Erfolg. Siemens hatte schon einmal einen Riesenauftrag zum Bau von Gasturbinen in Ägypten erfolgreich absolviert. Jetzt wird quasi eine schlüsselfertige Lösung für den Fern- und Regionalverkehr angeboten. Das ist eine gute Botschaft für die wirtschaftliche Zusammenarbeit, die auch politisch hilfreich ist – selbst wenn der Partner schwierig ist.

Welche Rolle spielt Ägypten bei der Migration?

Die Ägypter sind trotz aller Probleme ein selbstbewusstes Volk. Wenn ich in Tunesien oder Marokko bin, treffe ich viele Menschen, die nur noch daran denken, das Land Richtung Europa zu verlassen. Das ist in Ägypten deutlich anders. Den Wunsch, das Land zu verlassen, haben wenig. Den Wunsch, dass es ihnen in Ägypten besser gehen sollte, haben jedoch alle.

Ist es ein Transitland?

Ja, natürlich. Aus dem Süden kommen viele aus Somalia und dem Sudan. Von dort geht es über Libyen nach Europa weiter. Über Ägypten selbst ist das schwierig, weil der Staat viel präsenter ist.


INTERVIEW: MIKE SCHIER

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