Auf den Überresten einer iranischen Rakete in Israel. © AFP
Demonstranten in Teheran mit Fahnen und Plakaten. © AFP
Stadt unter Feuer: Ein Mann begutachtet die jüngsten Spuren der israelischen Angriffe in einem Vorort von Beirut. © AFP
Beirut – Im Zuge seiner Bodenoffensive im Libanon hat das israelische Militär die Menschen in Dutzenden Orten im Süden des Landes zur Flucht aufgefordert. Demnach sollen sich die Menschen etwa 60 Kilometer hinter die Grenze in Sicherheit bringen. Die israelischen Luftangriffe gegen die mit dem Iran verbündete Hisbollah gingen unterdessen weiter. Dabei wurde auch das Zentrum der Hauptstadt Beirut getroffen. Insgesamt griff Israels Luftwaffe Armeeangaben zufolge rund 200 Ziele der Hisbollah im Libanon an. Auch Israel ist erneut massiv aus dem Libanon mit Raketen beschossen worden. Binnen eines Tages seien rund 200 Geschosse und einige Drohnen gezählt worden, die von der Schiitenmiliz Hisbollah auf den Norden Israels abgefeuert worden seien.
Weltweite Besorgnis rief die Frage hervor, wie die von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu angekündigte Reaktion auf die iranischen Raketenangriffe aussehen wird und ob es zu einer weiteren Eskalation des Konflikts kommt. Fragen zum israelischen Vorgehen warf eine Äußerung des geschäftsführenden libanesischen Außenministers Abdullah Bu Habib auf. Ihm zufolge soll Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah kurz vor seiner Tötung einer von den USA, Deutschland und weiteren Verbündeten geforderten Waffenruhe mit Israel zugestimmt haben. Washington und Paris hätten mitgeteilt, dass auch Netanjahu der Waffenruhe zugestimmt habe, sagte Habib. „Also haben wir auch die Zustimmung der Hisbollah eingeholt, und Sie wissen, was seitdem passiert ist.“ Die israelischen Streitkräfte hatten Nasrallah bei einem massiven Luftangriff südlich von Beirut kurz nach der Waffenruhe-Forderung getötet. Die Hisbollah hatte ihre angebliche Zustimmung zu dem Vorschlag selbst nicht öffentlich erklärt.
In einem Aufruf, den ein israelischer Militärsprecher in arabischer Sprache veröffentlichte, hieß es, die Armee werde in 25 Orten im Südlibanon gegen die Hisbollah vorgehen. Demnach sollten sich die Menschen in den Norden hinter den Fluss Awali begeben. Der Fluss liegt mehr als 60 Kilometer von der Grenze entfernt. Jedes Haus, das von der Hisbollah genutzt werde, sei ein Ziel, warnte der Armeesprecher. Viele Menschen in den von der Hisbollah kontrollierten Gebieten wissen allerdings oft nicht, welche Gebäude von der Schiitenmiliz genutzt werden.
Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben zudem den Hisbollah-Kommandeur getötet, unter dessen Kommando im Juli eine Rakete auf einen Fußballplatz in Israel abgeschossen worden war. Dabei hatten in dem Ort Madschdal Schams auf den von Israel annektierten Golanhöhen am 27. Juli zwölf junge Menschen ihr Leben verloren.
Die israelischen Angriffe auf viele Gebiete im Südlibanon gingen am Morgen nach Meldungen der staatlichen Nachrichtenagentur NNA weiter. Demnach war der libanesische Zivilschutz innerhalb von 24 Stunden 193 Mal im Einsatz, um Leichen zu bergen oder Brände zu löschen. Laut dem libanesischen Gesundheitsministerium kamen allein am Mittwoch bei israelischen Angriffen im Land 46 Menschen ums Leben, 85 weitere seien verletzt worden. Die Behörde unterscheidet bei den Angaben allgemein nicht zwischen Zivilisten und Hisbollah-Mitgliedern.
Für Spekulationen sorgte die Frage, wie und wann Israels militärische Antwort auf die iranischen Raketenangriffe erfolgen wird. In Israel wird am Freitag der zweite Tag des jüdischen Neujahrsfestes begangen. Nach iranischen Raketenangriffen im April waren fünf Tage bis zu einem israelischen Gegenschlag vergangen.
US-Medien hatten berichtet, dass Israel Irans Nuklearanlagen sowie Ölförderanlagen und andere strategische Einrichtungen angreifen könnte. Insbesondere die Anreicherungsanlagen in Natans, dem Herzstück des iranischen Atomprogramms, könnten im Visier stehen, hieß es. Der Iran behauptet, es diene nur zivilen Zwecken. Das sehen Israel und der Westen anders.
US-Präsident Joe Biden sprach sich gegen eine Attacke auf Atomanlagen der Islamischen Republik aus. „Die Antwort ist nein“, sagte Biden auf die entsprechende Frage eines Reporters. Israel habe aber ein Recht, auf Irans Angriff zu reagieren. Die USA sind Israels wichtigster Verbündeter. Auf die Frage nach dem möglichen Zeitpunkt für einen israelischen Gegenschlag sagte er am Donnerstag: „Heute wird nichts passieren.“
Bei einem nächtlichen Luftangriff auf das Viertel Basta-Baschura in Beirut hatte Israels Militär in das Zentrum der libanesischen Hauptstadt gezielt. Das Viertel liegt nur wenige Gehminuten von einer beliebten Einkaufsgegend entfernt. Der Regierungspalast Grand Serail, das Parlament und mehrere Botschaftsgebäude liegen auch nur einige Straßenblöcke entfernt vom Ort des Angriffs.
Erstmals seit Beginn der israelischen Bodenoffensive im Libanon wurde zudem ein libanesischer Soldat getötet.