KOMMENTARE

Präventive Selbstverteidigung

von Redaktion

Droht ein Krieg mit dem Iran?

Noch heute, ein Jahr danach, lässt der Angriff der Hamas-Schlächter auf Israel das Blut in den Adern gefrieren. Er richtete sich nicht gegen Individuen, sondern gegen die Existenz des Jüdischen an sich. Er ließ tief in die dunklen Seelen derer blicken, die nur leben, um zu hassen. Er traumatisierte ein Land, das sich zwar immer als bedroht, aber nie als hilflos empfunden hatte. Er stand am Anfang dessen, was sich heute zu einem großen Krieg auszuwachsen droht. Wer Verantwortliche dafür sucht, darf das nicht vergessen.

Die Wahrheit war im Nahen Osten immer vielschichtig, sie ist es auch jetzt. Zu ihr gehört, dass Israels Premier Benjamin Netanjahu die Hamas lange gewähren ließ und im entscheidenden Moment versagte. Dass der Krieg gegen die Terroristen auch ihm persönlich und seinen rechtsextremen Koalitionspartnern nutzte. Dass das Vorgehen in Gaza mitunter den Charakter von Rache hatte, die blind machen kann für das Leid und den Tod hilfloser Zivilisten. Aber darüber legt sich eine andere Gewissheit: die, dass jedes Nachgeben zurückführt zum Anfang, dem 7. Oktober. Israel weiß, dass sich der Charakter seiner Feinde nicht verändert hat. Gibt man ihnen Raum, sich aufzurichten, werden sie immer wieder versuchen, den jüdischen Staat zu vernichten.

Nun scheint Jerusalem die seltene Chance zu sehen, der ewigen Bedrohung ein Ende zu bereiten. Seit einem Jahr schlägt es die Gliedmaßen des Ungetüms ab – Hamas, Huthis, Hisbollah. Jetzt ist womöglich das Ungetüm selbst dran: der Iran. Noch so eine Wahrheit: In Israel hat man gelernt, dass auch ein mit den besten diplomatischen Absichten geschmiedetes Nuklear-Abkommen nicht vor der Aggression Teherans schützt. Die Mullahs und ihre Atomanlagen in den Blick zu nehmen, wäre also nicht weniger als ein Akt präventiver Selbstverteidigung.

Das ist die Lage, die geradewegs hineinführt in ein schreckliches Dilemma. Denn auf einmal wird das so hohl klingende Wort von der Eskalation sehr plastisch: Käme es zum Krieg zwischen Israel und dem Iran, hingen die USA und ihre arabischen Verbündeten mit drin. Man muss hoffen, dass den Hardlinern im Iran bewusst ist, dass sie eine solche Auseinandersetzung nicht gewinnen können. Sonst wären die Konsequenzen für alle Seiten verheerend.
MARCUS.MAECKLER@OVB.NET

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