Not-OP für leere Kassen: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach arbeitet an einem Finanzierungskonzept, das er bald vorlegen will. © Jutrczenka/dpa
München/Berlin – In der Bundesregierung laufen einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) zufolge Gespräche über eine „Notoperation“ für die Pflegeversicherung. Geschieht nichts, sei diese nach aktueller Einschätzung der Regierung nämlich bereits im Februar zahlungsunfähig. Das Ministerium betonte zwar, man könne das „so nicht bestätigen“. Und stellte klar: „Die Pflegeversicherung ist nicht pleite. Dafür wird der Gesetzgeber sorgen.“ Dass es Schwierigkeiten gebe, sei jedoch bekannt. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kündigte eine „große Reform“ an, um die Pflegeversicherung auf stabilere Füße zu stellen.
Warum ist die Pflege in Not?
Hauptgrund ist die Alterung der Gesellschaft: Bis 2055 dürfte die Zahl der Leistungsempfänger von derzeit mehr als fünf Millionen auf mehr als sieben Millionen ansteigen. Schon aktuell gebe es mehr Pflegebedürftige als früher prognostiziert, so das Ministerium. Zudem habe die jüngste Pflegereform die Pflegebedürftigen in Heimen erheblich entlastet, dazu kommen die höheren Löhne für Pflegekräfte sowie Corona-Folgekosten in Höhe von 6 Milliarden Euro.
Was droht Versicherten?
Im Gespräch ist eine Erhöhung der Pflegebeiträge um 0,3 auf 3,7 Prozent bzw. auf 4,3 Prozent für kinderlose Versicherte. Bei einem Bruttoeinkommen von 3000 Euro entrichtet ein Single ohne Kinder laut dem Ratgeberportal Finanztip pro Monat aktuell Pflegebeiträge in Höhe von 69 Euro. Bei einer möglichen Anhebung um 0,3 Prozentpunkte wären es künftig 78 Euro – also 9 Euro mehr pro Monat beziehungsweise 108 Euro mehr pro Jahr. Eine Mutter mit zwei Kindern mit demselben Gehalt zahlt derzeit 43,50 Euro pro Monat an Pflegebeiträgen. Eine mögliche Erhöhung käme sie ebenfalls mit 9 Euro pro Monat zu stehen, denn ihr Beitrag würde sich auf 52,50 Euro erhöhen.
Was droht Rentnern?
Bei der Pflegeversicherung gibt es keinen Zuschuss von der Rentenversicherung, das heißt: Rentner müssen – anders als Arbeitnehmer, die nur den halben Beitrag zahlen – den gesamten Versicherungsbeitrag bezahlen. Ein Rentner mit zwei Kindern über 25 Jahren und einer Rente von 1800 Euro müsste demnach pro Monat mit einer Mehrbelastung in Höhe von 5,40 Euro rechnen. Sein Beitrag stiege von 61,20 Euro auf 66,60 Euro monatlich. Einen Rentner ohne Kinder würde eine mögliche Erhöhung bei derselben Rentenhöhe genau gleich mehr belasten. Sein Ausgangsbeitrag ist aber mit 72 Euro bereits jetzt höher und stiege nach einer Anpassung um 0,3 Prozentpunkte auf 77,40 Euro pro Monat.
Gibt es andere Möglichkeiten?
Zur kurzfristigen Lösung der finanziellen Probleme fordern Kassen und Sozialverbände sofortige Maßnahmen. Zum einen müsse der Bund für die rund 5,3 Milliarden Euro Sonderausgaben der Pflegeversicherung aus den Corona-Zeiten – etwa für Tests oder Boni fürs Personal – aufkommen. Zum anderen müsse die Pflegeversicherung von der Übernahme der Rentenbeiträge für pflegende Angehörige entlastet werden. Dieser Posten schlage allein in diesem Jahr mit vier Milliarden Euro zu Buche, Tendenz steigend. Dabei handle es sich um eine staatliche Aufgabe.
Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) forderte mit Blick auf Lauterbachs Reform-Ankündigung ein parteiübergreifendes Konzept, wie die Pflege nachhaltig für die kommenden Jahrzehnte aufgestellt werden könne. „Dazu gehört auch, dass die jüngeren Generationen gut damit leben können, die einen großen Teil der finanziellen Verantwortung mittragen“, erklärte Gerlach.»KOMMENTAR