Tim Walz gilt als einfacher Familienvater und Ex-Lehrer – und soll genau damit punkten. © getty
München – Gus Walz war 16 Jahre alt, als er beim Volleyballspielen sah, wie einem Jungen in den Kopf geschossen wurde. Das war im Januar 2023, in einer Turnhalle in St. Paul im US-Bundesstaat Minnesota. Es war eine von vielen Schießereien in den USA – viel Aufmerksamkeit erregte das Ereignis damals nicht. Doch nun, anderthalb Jahre später, spricht Gus’ Vater vor einem Millionenpublikum darüber, wie sein Sohn die Schüsse miterlebte. So präsentiert sich Tim Walz. Besorgter Familienvater, ehemaliger Highschool-Lehrer – und bald womöglich Vizepräsident der Vereinigten Staaten.
Walz hat die Schießerei kürzlich beim TV-Duell gegen seinen republikanischen Kontrahenten J.D. Vance ins nationale Rampenlicht gerückt. Es ging darum, wie sie die Waffengewalt im Land angehen würden, sollten ihre Chefs, Kamala Harris und Donald Trump, die Präsidentschaftswahl am 5. November gewinnen.
Walz, Gouverneur von Minnesota, würde bei einem Sieg der Demokraten auf Harris’ Vize-Posten im Weißen Haus aufrücken. Der 60-Jährige gilt als eher unscheinbar und war vielen US-Amerikanern vor seiner Nominierung völlig unbekannt. Bei den Spekulationen, wer Harris-Vize werden könnte, sind weitaus prominentere Namen gefallen: Josh Shapiro etwa, der als Gouverneur von Pennsylvania einen wichtigen Swing State vertritt. Doch am Ende fiel die Wahl auf „Coach Walz“, wie er von den Demokraten beim Parteitag im August voller Begeisterung angefeuert wurde – eine Anspielung auf seine Zeit als Highschool-Footballtrainer. „Wir stürmen über das Feld und wir haben das richtige Team”, rief Walz in die Menge.
Das Wahlkampfteam von Kamala Harris bemüht sich, seine Rolle als Trainer immer wieder hervorzuheben: als Kommandeur mit Kampfgeist, aber auch als fairen Teamspieler. Mit 17 Jahren trat er in die Nationalgarde ein, wo er 24 Jahre lang diente. 2018 gewann er die Wahl zum Gouverneur in Minnesota, wo er zahlreiche Gesetze durchsetzte: darunter die Stärkung des Rechts auf Abtreibung, bezahlten Elternurlaub, strengere Waffengesetze und die Finanzierung kostenloser Schulmahlzeiten. Die Demokraten haben die Hoffnung, dass Walz Harris vor allem in ländlichen Wählergruppen der Arbeiterklassen unterstützen könnte – also dort, wo Trump eher vorn liegt.
In Umfragen gibt es vor allem in den Staaten des Mittleren Westens Zustimmung für Walz – nach einer Erhebung der „New York Times“ und des Siena College wird er etwa in den Swing States Michigan und Wisconsin positiver gesehen als Trump-Vize J.D. Vance. Wähler würden Walz demnach als „ehrlich, vertrauenswürdig und mitfühlend“ betrachten. Etwa die Hälfte der Befragten sagte, Walz „kümmert sich um Menschen wie mich“.