Die deutsche Politik gleicht gerade einem Wanderzirkus. Alles wandert nach rechts, den Wählern hinterher. Die haben nach 16 Jahren Merkel-Regierung und drei Jahren Ampel die Nase voll von dem, was die etablierten Parteien zuletzt in ihren Bauchläden anzubieten hatten: zu viel unkontrollierte Migration, zu wenig Politik für die arbeitende Mitte, dafür neue Heiz-Vorschriften und jede Menge Gedöns um jene, die leistungsloses Einkommen vom Staat für ihr selbstverständliches Recht halten.
Alle haben sich auf den Weg gemacht. Wer wie die Linkspartei zu lange zögerte, blieb auf der Strecke. Auch der FDP hilft ihre späte Hektik nun nichts mehr. In letzter Minute, dafür umso rabiater, haben die Grünen das Ruder herumgerissen: Sie wollen als „Liste Robert Habeck“ verlorene Mitte-Wähler zurücklocken, prangern mit Cem Özdemir den Sexismus der zugewanderten Muslime an und haben für den neuen Kurs sogar ihre Parteispitze samt grüner Jugend ins Aus gedrängt. Am weitesten enteilt auf dem Marsch in wieder konservativere Gefilde ist die Merz-Union; CSU-Chef Söder würzte die Unionsspeisekarte auf seinem Parteitag sicherheitshalber nochmal kräftig nach. Er will ohne „Denkverbote“ ran ans Asylrecht und fordert eine Flüchtlings-Obergrenze, die doppelt so streng ist wie jene, für die der arme Horst Seehofer 2016 zum Paria der deutschen Politik erklärt wurde, sogar von Teilen der eigenen Partei.
Doch der Wähler bleibt zum Leidwesen der Parteistrategen so misstrauisch wie ein scheues Reh. Davon kann vor allem die Union ein Lied singen. Vieler ihrer Stammwähler haben ihr die Merkelpolitik bis heute nicht verziehen. Jeder vierte Deutsche wählt heute radikal und lässt sich auch davon nicht schrecken, dass AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel und BSW-Chefin Sahra Wagenknecht reden, als seien sie Putins Pressesprecherinnen.
Viel Spannung verspricht vor allem das grüne Experiment. Die Ökopartei will sich als plötzlich pragmatische(re) Kraft neu erfinden und bietet sich CDU und CSU ungeniert als künftige Regierungspartnerin an. Doch während die Union immerhin von sich behaupten kann, Merkels Erbe in Person von Friedrich Merz endgültig hinter sich gelassen zu haben, müssen die Grünen erst noch beweisen, dass die neue Habeck-Partei eine andere ist als die alte. Söder jedenfalls ist noch nicht überzeugt.
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