In Kriegszeiten bedeuten Worte oft das Gegenteil von dem, was eigentlich gemeint ist. So ist Wolodymyr Selenskyjs „Siegesplan“ in Wahrheit Ausdruck der puren Verzweiflung. Es ist ein Hilferuf an die Verbündeten, die drohende Niederlage gegen Putins Aggression abzuwenden, indem die Waffenlieferungen auch auf Raketen größerer Reichweite ausgeweitet werden. Die Lage an der Front ist desolat: Putins Truppen erobern in der Ost-Ukraine stetig Dorf um Dorf, Quadratkilometer um Quadratkilometer. Die Kursk-Offensive auf russisches Territorium war zwar propagandistisch ein Erfolg, indem sie der ukrainischen Bevölkerung ein lange vermisstes Erfolgsgefühl vermittelte – militärisch brachte sie keine Wende. Vor diesem Hintergrund wirken Berichte trotz des Dementis aus Kiew glaubhaft, wonach Selenskyj zu einem Waffenstillstand entlang der aktuellen Frontlinie bereit sei.
Der sehr spitze Haken daran ist nur: Putin verspürt angesichts der aktuellen Erfolge keinerlei Lust auf eine Friedenslösung. Er weiß um die Kriegsmüdigkeit der westlichen Unterstützer. Und solange er hoffen darf, dass sein Bewunderer Donald Trump die US-Wahl gewinnen könnte, sieht er erst recht keinen Anlass für Kompromisse. Warum nur ein Stück vom Kuchen nehmen, wo er doch bald die ganze Torte haben kann? Wenn die Ukraine erst einmal vollständig unterworfen ist, wird Putins Appetit nicht gestillt sein. Das sollte allen klar sein, die beklagen, dass es jetzt mal reicht mit der teuren Hilfe für die Ukraine.
KLAUS.RIMPEL@OVB.NET