Der Polizeieinsatz in Solingen im August: Was lernt die Politik daraus? © Thomas Banneyer/dpa
Berlin/München – Ein Doppelpaket für mehr Sicherheit – oder zwei halb leere Päckchen ohne Nutzen? Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat Gesetzentwürfe zur Umsetzung der europäischen Asylreform präsentiert, die unter anderem schnellere Abschiebungen für abgelehnte Asylbewerber bei Sicherheitsrisiken vorsehen. Zugleich einigen sich die Ampel-Fraktionen im Bundestag auf ein Sicherheitspaket, das nach dem Terroranschlag von Solingen die Befugnisse der Sicherheitsbehörden erweitern soll. Beide Gesetzesvorhaben zielen auf eine Stärkung der inneren Sicherheit und einen effizienteren Umgang mit Migration ab. Doch die Kritik ist laut.
Faeser betonte, sie wolle das neue gemeinsame europäische Asylsystem mit Hochdruck umsetzen. „Die europäischen Gesetze sind bereits beschlossen, das deutsche Recht passen wir jetzt an“, sagte Faeser. Den Gesetzentwürfen zufolge soll unter anderem die Rückführung abgelehnter Asylbewerber beschleunigt werden. So soll in Fällen, in denen Sicherheits- oder Ordnungsrisiken bestehen, keine Frist zur freiwilligen Ausreise gesetzt werden. Stattdessen soll eine sofortige Abschiebung erfolgen.
Die europäische Asylreform war nach jahrelangem Streit im Mai beschlossen worden. Sie regelt die Verteilung der Schutzsuchenden auf die EU-Staaten mit einem „Solidaritätsmechanismus“ neu. Außerdem sieht sie schnelle Asylverfahren an den Außengrenzen und einen deutlich härteren Umgang mit Menschen aus Ländern vor, die als relativ sicher gelten. Abgelehnte Asylbewerber sollen demnach unter bestimmten Bedingungen auch in Nicht-EU-Länder – sogenannte Drittstaaten – abgeschoben werden. Das ist alles noch nicht umgesetzt.
Migration ist auch ein zentraler Bestandteil des Sicherheitspakets der drei Ampel-Fraktionen im Bundestag. Die Koalition hatte es nach dem islamistischen Terroranschlag von Solingen mit drei Toten im August auf den Weg gebracht. „Wir werden die Befugnisse der Sicherheitsbehörden moderat erweitern, dabei die Grundrechte achten“, sagte FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle. Man werde Ordnung und Kontrolle bei der Migration verstärken. Zudem seien Maßnahmen im Bereich des Waffenrechts vorgesehen, „um sich um die wachsende Messerkriminalität in Deutschland zu kümmern“.
Um die Details wird aber weiterhin gestritten. Kritiker aus der Union werfen der Ampel vor, die Vorlage aus der Bundesregierung entkernt zu haben. Künftig sollen Leistungen für Menschen gestrichen werden, für deren Asylverfahren nach den sogenannten Dublin-Regeln ein anderer europäischer Staat zuständig ist. Auf Druck von SPD und Grünen wird nun aber ein Passus eingefügt, wonach für eine komplette Streichung „nach der Feststellung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die Ausreise rechtlich und tatsächlich möglich“ sein muss. Das könnte Flüchtlinge, die über Italien (Mittelmeer) einreisten und illegal von den dortigen Behörden durchgewunken wurden, betreffen.
Eingeschränkt werden jenseits der reinen Migrationspolitik auch die Pläne, wie das Bundeskriminalamt (BKA) und die Bundespolizei künftig Software für den automatischen Abgleich biometrischer Daten nutzen dürfen. Dadurch können etwa Bilder von Gesichtern mit Fotos im Internet verglichen werden. Die Ampel-Fraktionen erhöhten dabei allerdings die Hürden: Es muss demnach der Verdacht einer „besonders schweren“ Straftat vorliegen und nicht nur einer „schweren“, wie aus den Änderungsanträgen hervorgeht. Das ist auch nur dann erlaubt, wenn dies der Präsident des Bundeskriminalamtes oder seine Vertretung von einem Gericht genehmigen lässt.
Die Union reagierte enttäuscht. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, Versprechen, wonach man die Sozialleistungen an viele Asylbewerber deutlich kürzen wollte, seien nicht eingehalten worden. Für die Unionsfraktion gebe es keinen Anlass zu neuerlichen Gesprächen mit den drei Fraktionen der Ampel-Koalition.
Der Deutsche Richterbund rügt all das als unzureichend. „Die Ampelparteien wollen das zu klein geratene Sicherheitspaket der Bundesregierung noch weiter zu einem Mini-Päckchen schrumpfen“, sagte der Bundesgeschäftsführer des Richterbunds, Sven Rebehn, der Funke Mediengruppe. Mit den Messerverboten und neuen Befugnissen der Polizei werde „für die innere Sicherheit nicht viel gewonnen“. Er bemängelte, dass sich die Ampel nicht auf eine Neuregelung zum Speichern von IP-Adressen verständigte, die mit dem Europarecht vereinbar sei. Diese würde bei der Kriminalitätsbekämpfung „wirklich einen Unterschied machen“
AFP/DPA/MM