KOMMENTARE

Eine Frage von Leben und Tod

von Redaktion

Organspende-Modell der FDP

An den eigenen Tod denkt niemand gerne. Das macht politische Debatten um die Organspende so schwierig. Aber während es für gesunde Menschen eine abstrakte Überlegung bleibt, ob man sich Organe entnehmen lassen würde, ist es für die Patienten, die auf eine Niere oder Leber warten, eine Überlebensfrage. 8500 Menschen stehen in Deutschland auf der Warteliste für ein Spenderorgan, demgegenüber wurden nur 869 Organe pro Jahr transplantiert.

Die letzten Mini-Reformen wie das Organspende-Register haben am Spender-Mangel nichts geändert. Das war erwartbar. Die Bundesregierung erklärt, in der Debatte „neutral“ bleiben zu wollen. Sprich: Auch wenn Gesundheitsminister Karl Lauterbach persönlich für die Einführung der Widerspruchslösung ist, steht die Ampel als Ganzes für die bequeme Haltung: Nichtstun.

Zu groß scheint die Angst, dass die ethisch heikle Frage Wähler verprellen könnte. Insofern ist es mutig von der FDP, nun mit einer neuen Idee vorzupreschen: Der Abgeordnete und Arzt Andrew Ullmann will nicht nur nach dem Hirntod, sondern auch bei Herz-Kreislauf-Stillstand Nieren oder Herzen entfernen lassen. In anderen Staaten führte diese Praxis zu einem Anstieg der Organspenden. Aber diese Neudefinition des Todes stößt auf Ängste. So unwahrscheinlich es auch sein mag, im Falle des anhaltenden Herzstillstands wiederbelebt zu werden: Die Angst, vorschnell für tot erklärt zu werden, um an wertvolle Organe zu kommen, treibt viele um. Um es klar zu sagen: Mein Vertrauen in unsere Ärzte und unser System ist groß genug, dass ich persönlich solche Sorgen für unberechtigt halte.

Aber die Politik kann diese Ängste nicht ignorieren. Der FDP-Vorschlag vergrößert derartige Sorgen und könnte sogar zu einer noch geringeren Spendebereitschaft führen.

Besser wäre es, auch bei uns die Widerspruchslösung einzuführen. Der, der seine Organe nicht spenden will, aus welchen Gründen auch immer, muss es nicht tun. Aber die vielen Gleichgültigen würden so gezwungen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Wir müssen mit unseren Angehörigen darüber reden, solange wir noch gesund sind. Denn dann, wenn ein Unfall oder Krankheit den Liebsten aus dem Leben reißt, fehlt die Kraft, sich der heiklen Organ-Frage zu stellen.
KLAUS.RIMPEL@OVB.NET

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