FDP will den Tod neu definieren

von Redaktion

Bei Organspenden hinkt Deutschland hinterher. In Ländern wie Spanien und Österreich wird grundsätzlich angenommen, dass die Menschen mit einer Organspende einverstanden sind. © F: epd; Grafik: dpa

München – Die FDP-Bundestagsfraktion will die medizinischen Hürden für Organspenden senken, um die Zahl der verfügbaren Spenderorgane zu erhöhen. Bislang muss vor einer Organentnahme zwingend der Hirntod nachgewiesen werden – künftig soll auch die Feststellung eines Herz-Kreislauf-Stillstands ausreichen: Dies sieht ein Antrag vor, den die FDP-Fraktion am Dienstag verabschieden sollte. Eine derartige Änderung der Todesdefinition könne Leben retten, erklärte der Initiator des Antrags, der FDP-Bundestagsabgeordnete Andrew Ullmann. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

■ Ab wann ist ein Mensch hirntot?

Eine Kommission der Harvard Medical School veröffentlichte im Jahre 1968 eine genaue Definition der unwiederbringlich erloschenen Gesamtfunktion des Gehirns und schlug vor, den entsprechenden Zustand als sicheres Todeszeichen anzuerkennen. Als dessen Kennzeichen wurden 1981 festgelegt: Keine Empfänglichkeit für Sinneseindrücke und Reize, keine spontanen Bewegungen und Atmung, keine Reflexe und das Elektroenzephalogramm (EEG) zeigt keine elektrische Aktivität im Gehirn.

■ Was will die FDP-Fraktion ändern?

Nur wenige Patienten erleiden auf der Intensivstation einen Hirntod, also den unumkehrbaren Ausfall der gesamten Hirnfunktionen. Die meisten sterben an Herz-Kreislauf-Versagen. „Der Aufwand zur Feststellung des Hirntods ist immens hoch und schränkt dadurch die Zahl der potenziellen Spender von vornherein ein“, erklärt Ullmann, der auch Arzt ist. Der Tod nach einem anhaltenden Kreislaufstillstand sei medizinisch mit dem Hirntod gleichzusetzen. „Als Gesetzgeber sehe ich uns in der Pflicht, die wissenschaftliche Realität anzuerkennen, zumal es eine grundlegende Voraussetzung ist, um mehr Menschen eine Organtransplantation zu ermöglichen und damit Leben zu retten“, betonte Ullmann.

■ Warum besteht Handlungsbedarf?

„Noch immer steht der Anzahl an Organspendern ein Vielfaches an Menschen auf der Warteliste gegenüber: Ende 2023 warteten 8716 Menschen auf ein rettendes Spenderorgan“, sagte die FDP-Rechtspolitikerin Katrin Helling-Plahr. Viele der Wartenden würden sterben, ohne je ein Spenderorgan zu erhalten.

■ Was ist der Herz-Kreislauf-Tod?

Der Stillstand des Herzens ist einfacher festzustellen als der Hirntod. In Deutschland gaben Mediziner in der Vergangenheit zu bedenken, die Feststellung des Herzkreislauf-Todes berge jedoch ein höheres Risiko für Fehldiagnosen. Diese Einschätzung gilt bei vielen Wissenschaftlern als überholt. „Aus medizinischer Sicht gibt es keinen Goldstandard bei der Erklärung des Todes“, so FDP-Experte Ullmann.

■ Wie machen es andere Staaten?

In Großbritannien, Spanien, den Niederlanden, Belgien, Schweiz und USA sind Organspenden nach Herz-Kreislauf-Stillstand bereits erlaubt und führten teils zu einem deutlichen Anstieg der Organspenden.

■ Wie laufen Organspenden?

Der Körper eines hirntoten Menschen kann künstlich beatmet und die Herz- und Kreislauffunktion künstlich aufrechterhalten werden. Dieses Vorgehen ist notwendig, weil Organe, sobald sie nicht mehr mit Blut versorgt werden, langsam ihre Funktionsfähigkeit und damit Transplantierbarkeit verlieren. Das heißt, ein Organ muss dem Spender innerhalb einer bestimmten Zeitspanne entnommen und transplantiert werden, ansonsten wird es unbrauchbar. Beim Herzen beträgt diese Zeitspanne etwa vier Stunden, bei der Leber zwölf und bei der Niere 24 Stunden.

■ Wie ist die derzeitige Gesetzeslage?

In Deutschland, Schweiz, Großbritannien, Dänemark und in den Niederlanden gilt die Regelung dererweiterten Zustimmung zur Organspende“. Jeder Bürger kann aus eigener Initiative sein Einverständnis zur Organspende geben. Gibt es keine Festlegung, müssen Angehörige entscheiden.

■ Was ist die Widerspruchslösung?

In Ländern wie Österreich und Spanien wird von einem grundsätzlichen Einverständnis zur Organspende ausgegangen, es sei denn, der Betreffende hat zu Lebzeiten ausdrücklich widersprochen. Kritik an dieser Lösung ist der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte. Andere Staaten praktizieren die erweiterte Widerspruchslösung, bei der auch ein Widerspruch der Angehörigen gegen eine Organentnahme maßgebend ist (Finnland, Frankreich, Italien, Norwegen und Schweden). Länder mit Widerspruchslösung verzeichnen eine höhere Quote von Organspendern. So spenden in Spanien 46 Menschen pro eine Million Einwohner nach ihrem Tod mindestens ein Organ, in Deutschland sind es nur 10,3.

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