KOMMENTARE

Ein Abgang in Würde

von Redaktion

Scholz und das Ampel-Ende

Die Ampel sucht ihre Knickstelle. Immer seltener wird in Berlin die Frage gestellt, ob die Koalition zerbricht. Immer öfter wird gefragt, woran die Koalition zerbricht. Das ist keine banale Frage, denn der konkrete Trennungsgrund wird auch prägen, wie die Parteien vorzeitig vor die Wähler treten können. Und wie ruppig, vielleicht auch selbstbeschädigend, dieser Wahlkampf dann wird.

Olaf Scholz hat, für seine Verhältnisse ungewöhnlich deutlich, Disziplin seiner SPD eingefordert. Er will nicht, dass es das Sicherheitspaket wird, an dem die Koalition platzt. Man mag es für eine Drohung mit der Vertrauensfrage halten oder das eh nicht als Drohung empfinden – doch Scholz‘ Manöver gibt einen Einblick in die innere Zerrissenheit der SPD: Noch nicht mal das weichgespülte Sicherheitspaket hat eine sichere Mehrheit in der Mützenich-Fraktion; da sind schon auch jetzt noch viele asylpolitische Tagträumer unterwegs. Sollten der Kanzler und seine SPD mit dieser Botschaft ein Ampel-Ende begründen müssen – es wäre ein Fest für ihre Gegner im Wahlkampf. Friedrich Merz mag man sogar abnehmen, dass er mit seiner Kampagne lieber auf das Hauptthema Wirtschaft setzen würde als auf das griffige, jedoch auch gefährliche Thema Migration – an dieser Steilvorlage käme die Union aber nie vorbei.

Riskant sind auch Teile der FDP unterwegs, wenn sie wegen der Rente mit Ampel-Bruch drohen, gegen den Rat von Parteichef Lindner übrigens. Den Renten-Wahlkampf würde allenfalls die SPD liebend gern führen. In der Sache wär‘s fatal, Jung gegen Alt auszuspielen und sich an Versprechungen zu überbieten, obwohl eigentlich unpopuläre Entscheidungen (Rentenalter) getroffen werden müssten.

Vielleicht wird es am Ende der Haushalt sein, an dem dieses Bündnis im Spätherbst scheitert. Riesenlöcher, November-Steuerschätzung, Soli-Urteil aus Karlsruhe: Im besten Fall finden sich die Chefkoalitionäre Scholz, Lindner, Habeck zur nüchtern-höflichen Bilanz zusammen, dass fürs Überbrücken dieser Lücken nicht mehr genug Gemeinsamkeit besteht. Eine Art einvernehmliche Trennung wäre das dann, nicht mit Knall und Krawall, sondern mit geordneten Fristen und einem gemeinsamen Ablauf-Plan bis zur Neuwahl. Ohnehin ist der Zeitraum längst ungenutzt verstrichen, in dem ein Partner (also wohl die FDP) politischen Nutzen daraus hätte ziehen können, mit viel Lärm die im Volk historisch unbeliebte Koalition zu sprengen. Ein Abgang in Würde und Ordnung wäre besser und würde mehr Staatsverantwortung ausstrahlen als noch ein Jahr zerstrittenes Durchwursteln.
CHRISTIAN.DEUTSCHLAENDER@OVB.NET

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