Krisengipfel mit Kommunen

von Redaktion

Bayerns Kommunen schlagen Alarm, ihre Haushalte haben ein Milliardendefizit. Kommunalpolitiker fordern unverblümt mehr Geld vom Freistaat, notfalls müsse die „schwarze Null“ im Staatshaushalt kippen. Eine Krisenrunde soll Klärung bringen.

Auch hier fehlt dann am Ende Geld: bei Bau und Unterhalt von Sportstätten. © dpa

München – Holzvertäfelung, urige Holzbänke, Gamsgeweih an der Wand und in der Ecke sogar ein Herrgottswinkel: Zumindest den göttlichen Beistand könnten diejenigen, die da kommenden Dienstag im Raum Almstüberl im Münchner Hofbräukeller zusammenkommen, wohl gut brauchen. Gut 30 Landräte und über 40 Abgeordnete von CSU und FW, darunter die Fraktionschefs Klaus Holetschek und Florian Streibl, wollen in rustikaler Atmosphäre darüber beraten, wie sie die bayerischen Kommunalfinanzen wieder in Ordnung bringen können. Halbwegs zumindest – denn dass das Milliardendefizit auf einen Schlag bereinigt werden kann, ist wohl nicht zu erwarten

Die Lage scheint dramatisch. Schon im Jahr 2023 schlossen die Kommunen ihre Haushalte mit einem gewaltigen Defizit ab, annähernd 2,5 Milliarden Euro insgesamt. Schon das war erstaunlich für die sonst oft eher rosig gemalten bayerischen Verhältnisse, im bundesweiten Vergleich ein Rekord, ein negativer allerdings. Mit 225 Euro je Einwohner wiesen die Kommunen das höchste Defizit aller Flächenländer aus. „In historisch kurzer Zeit“ habe sich die Finanzlage der Landkreise nun weiter verschärft, heißt es. Allein in den Jahren 2023 und 2024 hätten zwei Drittel der Landkreise ihre Kreisumlage erhöhen müssen – also mehr Geld von den Kommunen verlangt. Denen fehlt das Geld jetzt für Kita-Bau, Straßenausbesserung, Energieversorgung und ÖPNV.

Mittlerweile dürfte das gesamte Defizit von Bezirken, Landkreisen, Städten und Gemeinden schon bei über fünf Milliarden Euro liegen, so rechnet es der vom Fürstenfeldbrucker Landrat Thomas Karmasin (CSU) geführte Bayerische Landkreistag vor. Diese Zahl hat auch der des Alarmismus unverdächtige Straubinger Oberbürgermeister Markus Pannermayr (CSU) in seiner Funktion als Vorsitzender des Bayerischen Städtetags vergangene Woche veröffentlicht.

Die Liste der gestiegenen Ausgaben ist lang. 1,2 Milliarden Euro allein für die Kreiskliniken in den Jahren 2021 bis 2023; Personalausgaben: ein Plus von 11,4 Prozent; Ausgaben für soziale Sicherung, wozu etwa Wohngeld, Grundsicherung, aber auch die Unterbringung von Flüchtlingen zählen: 15 Prozent mehr. Karmasin (61), seit 1996 Landrat, weist spitz daraufhin, dass der Freistaat aufgrund der Schuldenbremse sein Haushaltsjahr ohne Defizit abgeschlossen hat. Zwischen den Zeilen ist in internen Schreiben, die unserer Zeitung vorliegen, eine Forderung herauszulesen: Der Freistaat soll die Zuschüsse an die Kommunen erhöhen, und zwar kräftig, und ganz egal, ob damit die „schwarze Null“ kippt.

Angesichts eines Spitzengesprächs am 4. November besteht auch Zeitdruck. An dem Tag soll der sogenannte Finanzausgleich beschlossen werden. In der Regel sind solche Treffen zwischen den vier Vertretern der kommunalen Spitzenverbände und dem Innen- und Finanzministerium mäßig spannend: Der Freistaat erhöht Jahr für Jahr die Zuweisungen an die Kommunen – Anteile an Einkommens- und Umsatzsteuer – entsprechend der Inflationsrate ein bisschen, die Kommunen nicken und bedanken sich. Diesmal könnte es anders werden. Angesichts der dramatischen Situation müsse der kommunale Anteil an den Steuereinnahmen insgesamt steigen. Von derzeit 12,75 Prozent in Richtung 15 Prozent, so fordert es Karmasin.

Das wäre wohl eine Milliardensumme – im letzten Jahr betrug der Anstieg indes nur gut 200 Millionen Euro. Zudem müsse die Struktur der Zuweisungen geändert werden. Vorgeschlagen wird, „unzählige Förderprogramme“ des Freistaats zu reduzieren. Besser sei eine „nicht zweckgebundene“ Überweisung von Geld, so genannte Schlüsselzuweisungen. Auch darüber sind in der rustikalen Atmosphäre des Almstüberls durchaus rustikale Auseinandersetzungen zu erwarten. Er sei sich zwar bewusst, dass damit Bayerns Staatshaushalt „zunehmend unter Druck“ gerate, sagt Karmasin. Andererseits bestehe aber eine „verfassungsrechtliche Verpflichtung“ des Freistaats, die Kommunen auskömmlich zu finanzieren.

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