Ausgelagertes Asylverfahren in Albanien: ein Migrant im Hafen von Shengjin. © Sulaj/dpa
Brüssel – Die EU-Staaten wollen die Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern beschleunigen. Dafür solle die Europäische Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen schnellstmöglich eine Überarbeitung der aktuellen Gesetze vorlegen, beschlossen die 27 Staats- und Regierungschefs bei einem EU-Gipfel.
Rückendeckung bekam zudem Polen. Regierungschef Donald Tusk hatte angekündigt, in Reaktion auf von Russland und Belarus in Richtung EU geschleuste Migranten vorübergehend das Recht auf Zugang zu Asylverfahren aussetzen zu wollen. Die EU-Staaten verständigten sich darauf, dass Ausnahmesituationen angemessene Maßnahmen erfordern würden. Von der Leyen merkte an, dass solche Maßnahmen in den Rechtsrahmen passen würden, wenn sie „vorübergehender Natur“ und verhältnismäßig seien. Kanzler Olaf Scholz betonte, man könne nicht darüber hinwegsehen, dass an diesen Grenzen schlimme Dinge passierten und deshalb auch außerordentliche Anstrengungen nötig seien. „Und wer der polnischen Regierung abspricht, sich mit dem Problem beschäftigen zu dürfen, der handelt nicht verantwortlich.“
Bei vielen Aspekten zur Eindämmung der irregulären Migration konnten sich die EU-Staaten jedoch nicht auf eine gemeinsame Sprache einigen. Kontrovers diskutiert wurden etwa Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der EU, wie sie seit dieser Woche von Italien in Albanien angelaufen sind.
Am Freitagabend hat ein italienisches Gericht allerdings die erste Überstellung von Migranten nach Albanien für unrechtmäßig erklärt. Das Gericht begründete die Entscheidung damit, dass die Herkunftsländer der zwölf Männer, Bangladesch und Ägypten, nicht als sicher angesehen werden könnten – deswegen müssen sie zurück nach Italien gebracht werden. Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni sagte, sie glaube nicht, „dass es in der Zuständigkeit von Richtern liegt, zu entscheiden, welche Länder sicher sind und welche nicht, es liegt in der Zuständigkeit der Regierung“. Zuvor zeigte sich Scholz skeptisch gegenüber deutsche Asylverfahren in Drittstaaten. Auch Frankreichs Premierminister Michel Barnier sieht das Modell nicht „auf Frankreich übertragbar“.
Hintergrund der Debatte ist, dass die im Frühjahr beschlossene EU-Asylreform von etlichen Mitgliedstaaten als unzureichend angesehen wird. Viele bezweifeln, dass sie die Probleme lösen kann. Der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis kritisierte beim EU-Gipfel, dass die Reform nicht auf das Thema Rückführungen eingehe: „Wir können nicht akzeptieren, dass wir uns nicht wirksam um diejenigen kümmern, die keinen Anspruch auf einen Schutzstatus in der Europäischen Union haben.“ Die Umsetzung der Asylreform könnte sich wegen der Übergangsfrist noch bis Juni 2026 hinziehen. Scholz forderte in Brüssel mehr Tempo.
S. VENOHR/A. HAASE