Afroamerikaner sind für die Demokraten eine besonders wichtige Klientel. Trey Murray wartet in Memphis, Tennessee, auf seine Stimmabgabe. © IMAGO/Karen Focht
Washington – Am Wochenende machte Kamala Harris, die Präsidentschaftskandidatin der US-Demokraten, im Wahlkampf von der wirksamsten Waffe Gebrauch. Nein, es war nicht der aus Berlin zurückgekehrte Joe Biden, den die Partei weitgehend aus der Öffentlichkeit fernhält. Es waren Michelle und Barack Obama, das populärste Duo im liberalen Spektrum Amerikas. Sie gehen in einem Moment in den Wahlkampf-Endspurt, in dem Demoskopen eine Zitterpartie für den 5. November vorhersagen: Manche Institute wie beispielsweise RealClearPolitics sehen einen Sieg von Donald Trump in den sieben wichtigsten Swing States voraus, die gewöhnlich den Wahlausgang entscheiden. Andere wiederum prophezeien einen knappen Erfolg von Harris.
Sollte die Vizepräsidentin am Wahlabend doch nicht den Sprung über die 270-Wahlleute-Hürde schaffen, so dürfte dies vor allem an einem Faktor liegen: der nachlassenden Unterstützung durch männliche Afroamerikaner. Und gerade in diesem Punkt will Harris mit der Obama-Offensive jetzt gegensteuern. Der frühere Präsident und die ehemalige First Lady, die bei einer eigenen Kandidatur vermutlich Trump klar geschlagen hätte, sollen mehr oder weniger direkt eine Kernbotschaft vermitteln: Wer schwarz ist, muss Harris – die Tochter von Einwanderern aus Indien und Jamaika – wählen. Denn seit 2012, dem zweiten Sieg Obamas, haben die US-Demokraten eine Erosion der Unterstützung durch diese wichtige Kernwählerschaft erlebt. 2012 stimmten noch 87 Prozent der männlichen Afroamerikaner für Obama. 2016 bekam Hillary Clinton 82 Prozent dieser Wählerschicht. Und 2020 sicherte sich Joe Biden nur noch 79 Prozent. In diesem Jahr zeigen Umfragen, dass nur noch 70 Prozent dieser Wähler für Harris stimmen wollen.
Vor allem vier Gründe werden für dieses Phänomen in den USA angeführt:
Gebrochene Versprechen. Afroamerikaner zählen traditionell zu den Schlechtverdienern in der amerikanischen Gesellschaft. Auch in Sachen Immobilienbesitz liegen sie deutlich hinter Weißen und Asiaten zurück, die Armutsrate ist bei ihnen doppelt so hoch. Unter Biden und Harris hat es nur marginale Verbesserungen gegeben – wie mit einer leichten Senkung der Arbeitslosenquote, was an der natürlichen Erholung der Wirtschaft nach der COVID 19-Pandemie liegt. Biden und Harris verantworten eine Inflationsrate in den letzten vier Jahren, die zeitweilig sogar über neun Prozent stieg und gerade Schwarze schwer getroffen hat.
Die Politik der offenen Grenzen. Unter Biden und Harris wurde eian effektiver Grenzschutz bewusst abgeschafft. Die illegale Migration erreichte Rekordzahlen im Vergleich mit der Ära Trump. Was hat das mit den Afroamerikanern zu tun? Zum einen konkurrieren nun Millionen Latino-Neuankömmlinge mit Schwarzen um Niedriglohn-Arbeitsplätze. Zum anderen gab es schon immer starke gesellschaftliche Spannungen und Hass zwischen Menschen aus Lateinamerika und Afroamerikanern in den USA, was sich in Metropolen wie Los Angeles oder New York oft in blutigen Bandenkriegen manifestiert.
Die Gesellschaftspolitik der Demokraten. Ein Teil der afroamerikanischen Männer war schon immer eher konservativ orientiert. Programmpunkte der Partei – wie eine staatliche Finanzierung von Geschlechtsumwandlungen für Strafgefangene oder für illegale Einwanderer – finden starke Vorbehalte. Und dann gibt es Umfragen zufolge eine nicht unbedeutende Strömung in dieser Wählerschaft, die schlichtweg im Macho-Stil sagt: Frauen gehören an den Herd und nicht ins Weiße Haus.
Der Mangel an klar formulierter Politik. Von Kamala Harris sind bei Auftritten in der Regel nur einstudierte Phrasen wie „Die Reichen müssen ihren fairen Teil an Steuern zahlen“ zu hören. Ihr Programm auch für Afroamerikaner ist seltsam unpräzise, weil ihre Berater nach der Devise vorgehen: Im Wahlkampf-Endspurt möglichst unangreifbar bleiben und Details vermeiden.