Neue Führung: Ines Schwerdtner und Jan van Aken. © dpa
Halle – Es ist vielleicht die letzte Chance für die Linke: Nach ihrem Parteitag in Halle startet das neue Führungsduo Ines Schwerdtner und Jan van Aken direkt in den Wahlkampf, um 2025 wieder den Einzug in den Bundestag zu sichern. Die Alternative formulierte Urgestein Gregor Gysi als Schreckensszenario: „Schieden wir aus dem Bundestag aus, wäre Olaf Scholz dort das Linkeste. Ich darf doch wohl bitten.“
Van Aken begeisterte die Delegierten zum Abschluss des dreitägigen Treffens in Sachsen-Anhalt mit der Botschaft, dass jeder Einzelne praktisch alles schaffen könne. „Wir müssen es nur wollen, und wir müssen es nur machen“, rief van Aken. Sein Beispiel: Die Initiative von Schülern gegen die Abschiebung einer Mitschülerin, die letztlich Erfolg gehabt habe. „Wir können das gewinnen.“ Die neue Co-Vorsitzende Schwerdtner sagte, am Montag gehe es los mit dem Bundestagswahlkampf.
Van Aken und Schwerdtner möchten in den nächsten Wochen ein Mammutprojekt starten: Sie wollen mit Freiwilligen an hunderttausenden Haustüren klingeln und Menschen nach ihren konkreten Nöten und Wünschen fragen, ob Miete, hohe Preise oder die Schließung eines Krankenhauses. Die Antworten würden systematisch ausgewertet, sagte van Aken. Danach werde die Linke über ihre beiden Fokusthemen für den Wahlkampf entscheiden. Denkbar seien etwa Mietendeckel oder Bürgerversicherung, so van Aken.
Die neuen Vorsitzenden scheinen eine Arbeitsteilung zu haben: Die eine tritt eher als Strategin auf, der andere mobilisiert die Partei. Die in Sachsen geborene Schwerdtner ist erst seit einem Jahr in der Linken und hatte vor ihrer Wahl etwas Mühe, die Delegierten auf Betriebstemperatur zu bringen. Sie sieht sich als Streiterin für den Osten.
Der Hamburger van Aken tritt kumpelhafter auf und ist bekannter. Der 63-jährige Biologe war bis 2017 zwei Wahlperioden im Bundestag. Der frühere Greenpeace-Aktivist und UN-Biowaffeninspekteur richtete aber auch eine Mahnung an seine oft zerstrittene Partei: „Wenn ihr mich wählt, dann kriegt ihr nicht nur den netten Jan von nebenan, nicht nur die Friedenstaube mit dem Kapuzenpulli. Ihr kriegt auch den Jan, der klipp und klar sagt: Jetzt ist Schluss mit Zoff.“
Drei Direktmandate würden reichen, um 2025 wieder in Fraktionsstärke in den Bundestag zu kommen. Deshalb löste Gregor Gysi, seit Jahren Garant für ein Berliner Direktmandat, beim Parteitag Jubel mit einer Ankündigung aus: Er selbst, der frühere Fraktionschef Dietmar Bartsch und der scheidende Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow denken offenbar über eine Kandidatur 2025 nach. „Wir werden zusammen essen und einen Wein trinken und beraten und darüber nachdenken, ob es den wirklich notwendigen Aufschwung in unserer Partei gibt“, sagte der 76-Jährige. „Und wenn wir zu einem positiven Ergebnis kommen, dann starten wir die Aktion Silberlocke.“
V. SCHMITT-ROSCHMANN