Scholz und Erdogan rücken enger zusammen

von Redaktion

Annäherung: Recep Tayyip Erdogan und Olaf Scholz. © AFP

Istanbul – Trotz großer Differenzen beim Krieg im Nahen Osten rücken Deutschland und die Türkei enger zusammen. Bundeskanzler Olaf Scholz signalisierte dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan bei seinem Besuch in Istanbul, dass er nach langjähriger Zurückhaltung verschiedener Bundesregierungen wieder zu einer engeren Kooperation im Rüstungsbereich bereit ist. Außerdem setzt er auf eine gute Zusammenarbeit mit der Türkei bei der Steuerung der Migration und bei den diplomatischen Bemühungen um ein Ende des Ukraine-Kriegs. Die seit fast neun Jahren brachliegenden deutsch-türkischen Regierungskonsultationen, also Treffen der Regierungschefs und mehrerer Minister, sollen laut Scholz als „sichtbares Zeichen“ der verbesserten Beziehungen wiederbelebt werden.

Beim Thema Nahost sind der Kanzler und der türkische Präsident aber weiter auf Konfrontationskurs. Erdogan warf Israel bei der gemeinsamen Pressekonferenz im Dolmahbace-Palast am Bosporus Völkermord vor. Scholz hielt dagegen. „Deutschland hat nicht die Einschätzung (…), dass der Vorwurf des Völkermords gerechtfertigt ist“. Scholz betonte aber auch, dass zivile Opfer egal auf welcher Seite gleichermaßen beklagt werden müssten. Israel habe das Recht, sich zu verteidigen, müsse sich dabei aber an das Völkerrecht halten.

Die deutsch-türkischen Beziehungen gelten seit Jahren als schwierig. Ein Grund dafür ist die Menschenrechtslage in der Türkei mit massiven Eingriffen in die Meinungsfreiheit und Verhaftungen von Regierungskritikern auch mit deutschen Pässen. Aber auch das Agieren der Türkei gegenüber Griechenland oder Israel spielt dabei eine Rolle.

Auf der anderen Seite sind beide Länder vor allem bei Themen wie Migration und wirtschaftlicher Zusammenarbeit aufeinander angewiesen. Ein deutliches Signal ist das deutsche Entgegenkommen bei den Rüstungsexporten, die seit dem türkischen Einmarsch in Syrien 2016 nur noch sehr sporadisch von den Regierungen unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und jetzt unter Scholz (SPD) genehmigt wurden. Nun gibt es einen Kurswechsel: Scholz nannte es „selbstverständlich“, dass der Nato-Partner Türkei deutsche Rüstungsgüter erhält, und zeigte sich sogar offen für die Lieferung von Eurofighter-Kampfjets. In diesem Jahr wurden bis zum 13. Oktober bereits 69 Genehmigungen im Wert von 103 Millionen erteilt. Darunter waren Kriegswaffen für 840000 Euro.

Das wichtigste Interesse, das Deutschland in der Türkei hat, ist die Eindämmung irregulärer Migration. Der Türkei kommt dabei eine zentrale Rolle zu, weil Flüchtlingsrouten aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan über das Land führen. Scholz will auch die Abschiebung ausreisepflichtiger Türken forcieren und ist dabei auf die Kooperation Erdogans angewiesen. Die Türkei könnte außerdem bei der Abschiebung von Straftätern nach Syrien hilfreich sein.
A. POLLMANN

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