BSW: Chancenlos im Süden?

von Redaktion

Während das BSW im Osten um die Macht buhlt, gibt es in Bayern bisher nicht mal einen Landesverband. Das soll sich bald ändern. Das Gründungstreffen ist für den 16. November in Ingolstadt geplant. Kann die Partei im Freistaat etwas reißen?

Einflüsterin Wagenknecht: Ihr BSW-Freund Klaus Ernst will den bayerischen Landesverband mitgründen. © Kay Nietfeld/dpa

München – Es war schon ein Spektakel im Gasthaus Öller, irgendwo am Rand von Passau. Eine Frau im schwarzen, taillierten Mantel wandelte an rustikal holzverkleideten Wänden vorbei, schüttelte Hände, lächelte gerade so herzlich, wie es ihr halt möglich ist. Ihretwegen waren die 190 Sitzplätze ruckzuck belegt, die Leute stauten sich bis in den Wintergarten raus. Nur wenige Wochen zuvor war das Bündnis Sahra Wagenknecht in Berlin gegründet worden und jetzt war sie da, die Namensgeberin, beim hastig organisierten politischen Aschermittwoch.

Der Auftritt im Februar fand bundesweit Beachtung, dann war erst mal Ruhe. Während sich überall im Land BSW-Landesverbände gründeten (bis heute sind es zwölf), hörte man aus Bayern nichts – bis Ende letzter Woche. Da kündigte der frühere Linken-Chef Klaus Ernst ein Gründungstreffen für das bayerische BSW an. Termin: 16. November, Ort: die Audi-Stadt Ingolstadt.

Aus Sicht der Partei ist das überfällig, zumal man anderswo längst mittendrin ist im Geschäft. In Thüringen, Sachsen und Brandenburg stehen die Chancen auf eine Regierungsbeteiligung gut, besonders in Erfurt gehen die Dinge schnell voran. Allerdings zeigt sich dort auch sehr deutlich, dass die Partei kein einfacher Partner ist – was wiederum an der Frau in Schwarz liegt: Sahra Wagenknecht.

In den vergangenen Tagen lieferte sie sich ein Gerangel mit ihrer Spitzenkandidatin Katja Wolf. Es ging um die Frage, zu welchem Zeitpunkt der Gespräche man einen Ukraine-Passus für den Koalitionsvertrag formulieren soll. Wolf wollte das Streitthema weit nach hinten schieben, um nicht die Gespräche selbst zu gefährden, Wagenknecht war dagegen. Sie setzte sich durch, natürlich. Der Thüringen-CDU ließ sie am Sonntag noch eine Botschaft da: Sie solle sich vom Ukraine-Kurs von Parteichef Friedrich Merz distanzieren. Sonst sei keine Zusammenarbeit möglich.

Man darf annehmen, dass sich Wagenknecht von Berlin aus auch in Bayern einmischen würde. Die Frage ist, ob es jemals nötig wird. Bei der Europawahl im Juni kam das BSW in Bayern auf 3,8 Prozent, in einer aktuellen, insgesamt mit Vorsicht zu genießenden Online-Umfrage des Instituts Insa für die „Bild“ liegt sie bei fünf Prozent. Das ist hart an der Grenze zur Irrelevanz. Ernst kennt das noch aus seiner Ex-Partei, der bayerischen Linken, die bei Wahlen kaum je über drei Prozent lag.

Wo also sollen die Stimmen für das bayerische BSW herkommen? „Wir wollen allen Konkurrenz machen“, sagte Ernst vor Monaten der „SZ“. Es gehe auch darum, der CSU den „Anspruch auf alles, was bayerisch ist“, wegzunehmen. Auch der Schwabe Manfred Seel, als Beisitzer einziger Bayer im BSW-Bundesvorstand, sagte unlängst der „Bayerischen Staatszeitung“: „Wir wollen uns hier als bessere Alternative zur CSU positionieren.“ Der Weg: linke Sozial-, konservative Gesellschaftspolitik. Dazu das, was sie beim BSW „Friedenspolitik“, anderswo Kreml-Nähe nennen. Beide sehen da eine Angebotslücke in Bayern.

Der Polit-Promi Ernst und der langjährige Kommunalpolitiker Seel waren einst beide in der SPD, dann in der Linken. Jetzt gehöre sie zu einem zehnköpfigen Team, das seit Wochen den Landesverband in Bayern aufbaut. Es geht ähnlich langsam voran wie bei der Bundespartei. Rund 100 Mitglieder gibt es erst und rund 2000 Interessenten, jeder wird genau gemustert. Das BSW will die Fehler der AfD nicht wiederholen. Lieber langsam wachsen, Spinner draußen halten.

Ob Klaus Ernst, inzwischen 69 Jahre alt, als Parteichef kandidiert, ist unklar. Die Gründungsversammlung soll jedenfalls der Startpunkt für den Aufbau fixer Strukturen in Bayern sein. Erstes Ziel: Die Bundestagswahl, die für 28. September angesetzt ist, aber durchaus auch früher kommen kann. Anders als in den Ländern sieht die Union eine Zusammenarbeit im Bund skeptisch. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte unlängst, es gelte eine „Unvereinbarkeit mit diesem alten Sozialistenclub“.

Eine wird in Ingolstadt übrigens fehlen: BSW-Chefin Sahra Wagenknecht. Vielleicht war das Passau-Erlebnis genug Bayern für ein Jahr.

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