Die Steuerschätzung hat begonnen, die Vorzeichen stehen schlecht. Weniger Wachstum, weniger Einnahmen, aber mehr Wünsche der Regierungsparteien, die ein Jahr vor der Wahl ihre jeweilige Zielgruppe bedenken wollen. Allen Verhandlungsnächten und vermeintlichen Durchbrüchen zum Trotz schlummert im Haushalt weiter die größte Sprengkraft für das Bündnis. Finanzminister Christian Lindner (FDP) kämpft seit Monaten, weil nicht alle Kollegen die „ökonomischen Realitäten“ erkannt hätten.
Als mahnendes Beispiel sollten die Franzosen dienen: Jahrelang lebte Paris über seine Verhältnisse, heute ist es das Sorgenkind der EU. Die neue Regierung von Michel Barnier schusterte in Rekordzeit einen radikalen Sparhaushalt zusammen, der die Politik von Staatspräsident Emmanuel Macron auf den Kopf stellt. Er beinhaltet nicht nur höhere Steuern für Unternehmen und Wohlhabende, sondern auch eine Verschiebung der Rentenerhöhung. Der Anteil der Sozialkasse am Krankengeld wird verringert. Das birgt weiteren sozialen Sprengstoff. Trotzdem dürfte das Defizit im kommenden Jahr 6,1 Prozent betragen, das Defizitverfahren der EU läuft schon. Die Rating-Agentur Fitch senkte die Bewertung des Landes als Schuldner von „stabil“ auf „negativ“.
In Berlin sollte man das genau verfolgen. Es gab schon Gründe für die Schuldenbremse, die viele nur noch als Lindner-Fetisch verspotten. Dabei ist auch der Minister bei der Haushaltsaufstellung mehr Trickser als Überzeugungstäter. Der Bundesrechnungshof hatte schon im April grundsätzliche Mängel aufgelistet: „Es gibt keinen Risikopuffer, keinerlei Spielräume, um auf unerwartete größere Problemstellungen fiskalisch reagieren zu können.“ Ab 2028 müsse man zudem jährlich 9,2 Milliarden Euro der Corona-Notlagenkredite tilgen. Auch die zwei Prozent Verteidigungsausgaben lassen sich dann nicht mehr aus dem Sondervermögen bestreiten.
Die einfachste Lösung wären Steuererhöhungen, besser aber wären eine Überprüfung der Sozialausgaben (Bürgergeld!) und vor allem Strukturreformen. Ein Beispiel: Die Stellenzahl in der Bundesverwaltung steigt rasant (um 50000 seit 2015), allein in den Bundesministerien kamen 7000 hinzu. Das treibt nicht nur die Personalkosten an. Mehr Beamte bringen auch ständig neue, kostenintensive Bürokratie. Klar, den Haushalt 2025 rettet man so nicht mehr. Aber mittelfristig muss man da ran!
MIKE.SCHIER@OVB.NET