„Ich mach’s“: Özdemir tritt an

von Redaktion

Er gilt bei den Grünen als aussichtsreichster Kandidat für das Erbe Kretschmanns – nun ist klar: Cem Özdemir will Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 2026 werden. Doch die Lage ist verzwickt.

Wirft seinen Hut in den Ring: Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (li. ) will auf Winfried Kretschmann als Ministerpräsident von Baden-Württemberg folgen. © Stefan Puchner/dpa

Stuttgart – Der mehrseitige Brief, den Cem Özdemir an die Bürger im Land schreibt, mit dem er die große Nachricht verkündet – der Brief beginnt, als würde ihn niemand kennen. „Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, mein Name ist Cem Özdemir.“ Dabei stammt der 58-Jährige aus dem Ländle, ist Bundesminister, zählt zu den prominentesten Politikern der Republik. Und gerade weil er so bekannt ist, malt er sich Chancen aus, ins Staatsministerium in Stuttgart einzuziehen, mögen die Grünen auch gerade am Boden sein. Auf Instagram fasst Özdemir sich kurz: „Ich mach’s“. Er wolle Ministerpräsident seiner wunderbaren Heimat werden.

Baden-Württemberg wählt im Frühjahr 2026. Amtsinhaber Winfried Kretschmann (Grüne) tritt nicht mehr an. Özdemir wird seit Langem als aussichtsreichster Kandidat für die Spitzenkandidatur gehandelt. Nur der 58-Jährige sei ähnlich bekannt wie Kretschmann, hieß es. Zudem könne der Bundesagrarminister auf eine lange politische Erfahrung zurückgreifen und wird wie Kretschmann zum pragmatischen „Realo“-Flügel seiner Partei gezählt.

In einem Brief schreibt Özdemir, er wolle ihnen als Ministerpräsident dienen und alles für das Land geben. In dem vierseitigen Schreiben umreißt er seine eigene Geschichte, beschreibt, wie Baden-Württemberg seine Werte, seine Überzeugungen und seine Sicht aufs Leben geprägt habe. Er umreißt aber auch politische Ziele: neuer Wohlstand, beste Bildung für alle, Sicherheit und Klimaschutz.

In seiner Partei ist die Freude, und wohl auch die Erleichterung, groß, dass Özdemir antreten will. „Cem Özdemir bringt alles mit, was Baden-Württemberg braucht“, teilt Ministerpräsident Kretschmann mit. Özdemir habe Regierungserfahrung und sei eine über Parteigrenzen hinweg geschätzte Persönlichkeit. Er habe bewiesen, dass er Rückgrat habe und auch vor schwierigen Herausforderungen nicht zurückschrecke. Fraktionschef Andreas Schwarz (Grüne) sagt über Özdemir: „Seine Biografie steht für alles, was dieses Land stark macht.“ Özdemir stammt aus Bad Urach am Fuße der schwäbischen Alb und ist ein Sohn türkischer Gastarbeiter.

Der wohl aussichtsreichste Herausforderer Özdemirs wird der CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzende Manuel Hagel. Der 36-Jährige ist der neue starke Mann der CDU im Ländle und löste Ende 2023 Landesinnenminister Thomas Strobl als Chef der Südwest-CDU ab. Er wolle Özdemir nicht angreifen, sagte Hagel im Sommer. Nach der Verkündung übernimmt das für die Christdemokraten die Landesgeneralsekretärin Nina Warken (CDU): „Nach der Berliner SPD-Ampelministerin Faeser in Hessen versucht die Berliner-Ampel jetzt ihre zweite Fachkraft in die Landespolitik weg zu versorgen“, erklärte Warken. „Unser Land ist zu schade als Alternative für die gescheiterten Außenminister-Karrieresehnsüchte des Herrn Özdemir.“

Die Vorzeichen für Özdemirs Kandidatur könnten auch mit Blick auf die Umfragen besser sein: In Meinungsumfragen lag die CDU im Südwesten zuletzt mit bis zu 14 Prozentpunkten Vorsprung deutlich vor den Grünen. Bei der Landtagswahl im März 2021 hatten die Grünen 32,6 Prozent erreicht, die CDU kam auf 24,1 Prozent, die SPD auf 11, die FDP auf 10,5 und die AfD auf 9,7 Prozent.

Und auch die Menschen im Südwesten glauben eher, dass der nächste Ministerpräsident Hagel heißen könnte. Einer Erhebung des Forschungsinstituts Kantar zufolge halten es 46 Prozent für wahrscheinlich, dass der CDU-Spitzenmann die nächste Landtagswahl gewinnt. Özdemir trauen das nur 23 Prozent der Befragten zu, wie aus dem „Baden Württemberg Report“ für Oktober im Auftrag von Privat.Radio hervorgeht. Bei den Grünen wird mit Blick auf die aktuelle Umfragesituation allerdings gerne auf 2015 verwiesen. Damals sahen die Umfragen die CDU mit mehr als 15 Punkten vor den regierenden Grünen – Kretschmann drehte die Stimmung 2016 und blieb Ministerpräsident.

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