Dass das bürgerlich-konservative Baden-Württemberg grün regiert ist, war ein Zufall der Geschichte im Jahr 2011. Drei Dinge mussten zusammenkommen: eine zerstrittene Union mit einem laschen Kandidaten; ein bodenständiger, lebenserfahrener, unideologischer Grünen-Bewerber; und eine aufgewühlte Stimmung, in dem Fall nach Fukushima. Winfried Kretschmann, gewitzt und manchmal schrullig, hat dann drei Amtszeiten lang nicht überragend, aber gut regiert. Jetzt muss sein Erbe Cem Özdemir wieder auf eine Konstellation wie 2011 hoffen. Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich.
Özdemir hätte das Zeug dazu. Der Schwabe ist Realo und Pragmatiker mit klarem Blick auf die Asylpolitik. Er steht für den regierungsfähigen Grünen-Flügel, der auch für die Union ein geeigneter Partner wäre, und der im Südwesten erfreulich groß ist.
Freilich: Özdemir schadet, dass er Minister im Ampel-Debakel ist (und vorerst bleibt). Berlin zieht die Grünen nach unten, im Südwesten auf aktuell 18 Prozent, weit unter eine 32-Prozent-CDU. Seine größte, aber dünne Hoffnung ist, dass sich bis zur Landtagswahl Anfang 2026 die Stimmung dreht. Das könnte die erste wichtige Zwischenwahl für einen schwarz-rot regierenden Kanzler Merz sein. Derzeit sieht es so aus, als könne sich Özdemir bestenfalls eine Rolle als Koalitionspartner sichern.
CHRISTIAN.DEUTSCHLAENDER@OVB.NET