Schwierige Gespräche – wenn überhaupt mal miteinander geredet wird: Christian Lindner und sein Dienstvorgesetzter Olaf Scholz. © Kay Nietfeld/dpa
München – Es hätte die Ruhe vor dem Sturm sein können, wären da nicht all die Sticheleien in der Öffentlichkeit. Die Ampel-Partner haben sich offenbar nichts mehr gegenseitig zu sagen. Olaf Scholz lädt kommenden Dienstag zum Industriegipfel ein, gibt aber weder Finanz- noch Wirtschaftsminister Bescheid. Der verärgerte Christian Lindner organisiert kurzerhand einen eigenen Konkurrenz-Gipfel mit Wirtschaftsvertretern – der nur wenige Stunden vorher stattfinden soll. Und dann prescht auch noch Robert Habeck mit einem milliardenschweren Investitionsfonds für Firmen vor – wieder unabgesprochen.
Jeder macht inzwischen sein eigenes Ding. Alle drei wollen die Wirtschaft ankurbeln, Unternehmen und Industrie bezirzen, die Konjunkturkrise beenden, aber jeder auf seine Art. Ein Wahlkampf, in dem sich jeder als Retter der Wirtschaft profiliert – und zugleich nicht dafür verantwortlich sein will, dass Deutschland das zweite Rezessionsjahr in Folge erlebt. Elf Monate vor der Bundestagswahl ist es für solche Kampagnen allerdings noch arg früh. Oder bringt man sich für Neuwahlen in Stellung?
Vieles scheint an Christian Lindner zu hängen, der bemerkenswert dramatisch seinen „Herbst der Entscheidungen“ eingeläutet hat. Wann der genau endet, weiß niemand. Nach meteorologischer Zeitrechnung fängt der Winter am 1. Dezember an, kalendarisch am 21. Dezember. Und dann ist da noch der 14. November: An diesem Tag sollen die Haushaltspolitiker der Ampel bei der Bereinigungssitzung den Haushalt für das Jahr 2025 endgültig beschließen. Das Thema gilt als Sollbruchstelle für die Ampel-Koalition – vor allem für die Liberalen.
Lindners Worte klingen jedenfalls jetzt schon nach Endzeitstimmung. „Wenn sich alle an den Koalitionsvertrag halten wollen und an seinen Geist, dann habe ich jedenfalls keine Vorsätze, eine Regierungskoalition zu beenden“, sagte der FDP-Chef im „Heute Journal“. „Aber klar ist, wenn das, was das Land braucht, dringlicher wird und das, was politisch erreichbar ist, kleiner wird, dann müssen alle sich die Karten legen.“
Es ist ein Ultimatum an die Koalitionspartner: Findet die Ampel keinen Weg raus aus der Wirtschaftsflaute, lässt er sie platzen. Ohne den Finanzminister darf es aber wohl auch nicht laufen. Lindner fühlt sich übergangen. „Nein, die Vorschläge von Herrn Scholz waren nicht abgestimmt und die von Herrn Habeck auch nicht“, sagte er zu den jüngsten Wirtschafts-Vorstößen seiner Ampel-Kollegen. „Wir reden miteinander, aber diese Vorschläge kenne ich nicht. Und das ist für sich genommen ein Problem.“
Was Lindner nicht sagte: Auch das FDP-Präsidium produziert regelmäßig Papiere zur Wirtschaftspolitik und anderen Fragen, die vorher nicht mit den Koalitionspartnern abgestimmt werden.
Habeck hatte zuvor vorgeschlagen, die Wirtschaft mit einem schuldenfinanzierten staatlichen Investitions- und Infrastrukturfonds anzukurbeln. Nach seinen Vorstellungen sollen Unternehmen zehn Prozent aller Investitionen vom Staat erstattet bekommen. „Mich überzeugt das in der Sache nicht“, kritisierte Lindner. „Nachdem wir gesehen haben, dass bei Intel Subventionen nichts gebracht haben, soll auf das Scheitern bei Intel jetzt Intel zum Quadrat folgen.“ Für ihn sei das ein „Zeichen von konzeptioneller Hilflosigkeit“.
Und Scholz? Der will die Wirtschaft zur Chefsache machen. Bei seinem Besuch in Indien verteidigte er seine Entscheidung, ohne Habeck und Lindner am Dienstag mit Industrievertretern im Kanzleramt zu sprechen. Er führe regelmäßig solche Gespräche, es sei seine Aufgabe als Kanzler.
Es dürfe nicht darum gehen, „irgendwie sich vorzuführen“, betonte Scholz. Ziel müsse es sein, „einen gemeinsamen Konsens zu entwickeln“. Die Ampel-Partner müssten „wegkommen von den Theaterbühnen“. Auf die Frage, ob die Ampel-Koalition noch gemeinsam Weihnachten feiern werde, witzelte Scholz: „Weihnachten wird immer gefeiert.“
(MIT DPA)