Die Skandalnudel Ampel hat sich schon viele Eskapaden geleistet, aber mit zwei konkurrierenden Wirtschaftsgipfeln am selben Tag, der eine veranstaltet vom SPD-Kanzler, der andere vom FDP-Finanzminister, setzt die Koalition an diesem Dienstag selbst für ihre Verhältnisse neue Maßstäbe. „Albern“ findet das SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. „Verantwortungslos“ träfe es viel besser. Was nur sollen die ohnehin schon rezessionsgeplagten und verunsicherten Unternehmen von all dem Gegeneinander halten? Ohnehin ist die Koalition über das Stadium von Albernheiten schon lange hinaus. Im November der Entscheidungen geht es nur noch um die nackte Existenz der Regierung. Die Anklage von FDP-Chef Christian Lindner, weder der zig Milliarden teure Investitionssubventionsfonds von Wirtschaftsminister Robert Habeck noch der Industriegipfel des Kanzlers seien mit ihm abgesprochen gewesen, riecht geradezu nach der Vorbereitung eines Koalitionsbruchs. Wie soll bei solch massiven Differenzen die „Wirtschaftswende“ gelingen, die Lindner zur Bedingung fürs Weiterregieren gemacht hat?
Viele Liberale hatten gehofft, dass ihr Vorsitzender bereits im Sommer durchzieht und das chaotische Bündnis aufkündigt. Doch der zögerte, da Umfragen die FDP damals noch bei sechs Prozent taxierten und Lindner es für ein tödliches Risiko hielt, die Partei ein zweites Mal nach 2017 (damals platzte Merkels geplante Jamaika-Koalition) dem Vorwurf einer Flucht aus der staatsbürgerlichen Verantwortung auszusetzen. Seither hat sich die Lage aber nochmal fundamental geändert. Staatsbürgerliche Verantwortung sehen viele Bürger heute eher darin, dass die FDP den Weg für den Neuanfang frei macht. Zudem sind die Umfragewerte elf Monate vor der regulären Wahl so tief im Keller, dass sich in der FDP die Meinung durchsetzt, nur ein kühner Wurf könne das Ende der Partei (vielleicht) noch abwenden.
Gelingt es der Ampel nicht, im November den Bundeshaushalt für 2025 aufzustellen, läuft alles auf Neuwahlen Anfang März hinaus, eventuell zeitgleich mit der Hamburger Bürgerschaftswahl. Gerne würde Lindner seine Mitkoalitionäre so sehr triezen, dass diese ihm von sich aus den Stuhl vor die Tür stellen. Doch geht es nicht mehr um ein Hase-und-Igel-Rennen oder darum, wöchentlich neue „Albernheiten“ zu erfinden und sich gegenseitig Schwarze Peter zuzuschieben. Sondern darum, die Weichen für die Zukunft des Landes zu stellen. Nur wenn er das erkennt, wird Lindner, der die FDP 2013 rettete, nicht als am Ende doch Gescheiterter in die Parteigeschichte eingehen.
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