Präsidentin Salome Surabischwili in einem Wahllokal in Tiflis. © Shakh Aivazov/dpa
Triumphiert der Milliardär? Bidsina Iwanischwili, der Gründer und Führer der Partei Georgischer Traum, spricht nach der Stimmabgabe bei den Parlamentswahlen. © Jay Kogler/dpa
Tiflis – In der Südkaukasusrepublik Georgien in Nachbarschaft zu Russland streiten die prowestliche Opposition und die nationalkonservative Regierungspartei um das Ergebnis der Parlamentswahl. Die Wahlkommission erklärte die regierende Partei des reichsten und mächtigsten Mannes des Landes, Bidsina Iwanischwili, zur Siegerin mit 54 Prozent der Stimmen. Die verschiedenen Blöcke der proeuropäischen Opposition erkennen das Ergebnis nicht an. Internationale Wahlbeobachter und georgische Nichtregierungsorganisationen beklagen viele Wahlrechtsverstöße.
Die prowestliche Präsidentin Salome Surabischwili nannte die Parlamentswahl „durchgehend gefälscht“. Sie erkenne das Ergebnis nicht an, sagte sie in Tiflis und rief für Montag zu Protesten auf. Sie hatte nach der Veröffentlichung von Nachwahlbefragungen erklärt, dass die Opposition summarisch auf 52 Prozent der Stimmen komme und im Parlament eine prowestliche Mehrheit bilden könne. Dagegen sah die Wahlkommission die vier Oppositionsblöcke, die den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde schafften, nur bei über 37 Prozent. Iwanischwili präsentierte sich schon kurz nach Schließung der Wahllokale bei einer Feier in Tiflis als Sieger, ohne dass Ergebnisse vorlagen. Die traditionell gespaltene Opposition befürchtet, dass sich Georgien unter Führung des in Moskau reich gewordenen Oligarchen noch stärker dem Nachbarn Russland zuwendet und endgültig von seinem EU-Kurs abkommt.
Insgesamt waren rund 3,5 Millionen Georgier im In- und Ausland zur Stimmabgabe aufgerufen. Die Wahlbeteiligung lag nach vorläufigen Angaben bei rund 59 Prozent, etwas höher als 2020. Das Land am Schwarzen Meer hat 3,7 Millionen Einwohner und ist seit Ende 2023 EU-Beitrittskandidat. Der Beitrittsprozess liegt aber wegen umstrittener Gesetze auf Eis.
Die Regierungspartei Georgischer Traum versprach im Wahlkampf Frieden und Stabilität – und schürte Ängste vor einem Krieg mit Russland, sollte die Opposition gewinnen. Regierungschef Irakli Kobachidse wies Vorwürfe einer Wahlfälschung zurück. „Unser Sieg ist offensichtlich“, sagte er. Die Opposition habe auch bei den vergangenen Abstimmungen nie die Größe gehabt, ihre Niederlage einzuräumen. Die Partei Georgischer Traum regiert seit 2012. Kobachidse erhielt Glückwünsche zum Sieg vom ungarischen Regierungschef Viktor Orban und von den Nachbarn im Südkaukasus: von Aserbaidschans Staatschef und Armeniens Regierungschef. Orban kündigte gleich einen Besuch an.
Die prowestlichen Oppositionsbündnisse kündigten an, um den Sieg zu kämpfen. Sie sind zwar untereinander zerstritten, haben als gemeinsamen Nenner aber das Ziel, den 68 Jahre alten Milliardär Iwanischwili loszuwerden und einen EU-freundlichen Kurs einzuschlagen. Die Wahlleitung habe nur Iwanischwilis Befehlen gehorcht, sagte die Chefin der Partei Vereinte Nationale Bewegung von Ex-Präsident Michail Saakaschwili, Tinatin Bokutschawa. Ein Aktionsplan der Regierungsgegner werde abgestimmt. „Die Wahlen sind der Opposition gestohlen worden. Dies ist ein verfassungsrechtlicher Staatsstreich und ein Missbrauch der Macht“, sagte Nika Gwaramia von der Koalition für den Wandel. Die Wahl sei gefälscht worden nach einem komplizierten technologischen Schema. Details nannte er nicht.
Internationale und georgische Wahlbeobachter kritisierten eine Vielzahl von Verstößen. Dagegen lehnten die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) trotz mehrfach drängender Fragen von Journalisten ein Urteil dazu ab, ob der Urnengang fair und frei verlaufen sei. Sie beklagten aber demokratische Rückschritte im Vergleich zu früheren Abstimmungen auch bei der Wahlgesetzgebung.