Knapp einen Monat lang hat die Welt auf die Vergeltung Israels gewartet. Die Lage war zum Zerreißen angespannt: Nachdem der Iran am 1. Oktober 200 Raketen auf Israel abgefeuert hatte, war lange unklar, wie massiv Israel reagieren wird – und ob Netanjahu auch iranische Nuklearanlagen ins Visier nehmen könnte. Nun dürften viele Beobachter aufatmen, denn der israelische Gegenschlag ist weniger eskalativ ausgefallen, als Experten befürchtet hatten: Es wurden nur militärische Ziele, keine Öl- oder Atomanlagen beschossen – und nach vier Stunden war alles wieder vorbei. Teheran spielt den Angriff herunter. Man habe nur „begrenzten Schaden“ erlitten, teilte die Regierung mit. Und diesmal hat sie ausnahmsweise keine Rache geschworen.
Es scheint, als gönnten sich beide Seiten eine Verschnaufpause. Die Frage ist nur, wie lange sie dauert. Der israelische Gegenschlag war limitiert, weil US-Präsident Biden klare Grenzen gesetzt hat. Doch die Tage der Biden-Administration sind gezählt – und die Möglichkeit einer Wiederwahl Trumps zum Greifen nah. Der Republikaner bewundert Netanjahu: Die beiden haben wohl in den vergangenen Wochen oft miteinander telefoniert. Trump hat sich schwer beeindruckt gezeigt von der Pager-Attacke auf tausende Hisbollah-Kämpfer. Er soll gesagt haben: „Tu, was auch immer du tun musst.“ Das ist die Freigabe, die Netanjahu auch aus Washington hören will – und auf die er wohl auch spekuliert. Womöglich bekommt er sie in wenigen Wochen.
KATHRIN.BRAUN@OVB.NET