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VW: Und der Kanzler gibt den Arbeiterführer

von Redaktion

Politik mit schuld am Desaster

Pünktlich zu den Wirtschafts-Krisengipfeln von SPD-Kanzler und FDP-Finanzminister und zu den VW-Schreckensmeldungen kam gestern eine Nachricht, die zumindest manchen Grünen ein Lächeln ins Gesicht zaubern dürfte: Nie zuvor seit der Wiedervereinigung wurde in Deutschland so wenig Energie verbraucht wie in diesem Jahr. Die Dekarbonisierung greift – leider aber auch der damit verbundene und gewollte Strukturwandel. Deutschlands Industrie wandert dorthin aus, wo Arbeit und Energie kostengünstiger sind als im Hochlohn-, Hochsteuer- und Anti-Atom-Land Deutschland und bläst dort ihr Kohlendioxid in die Luft.

Die unbestreitbaren Fehler des VW-Managements in den vergangenen Jahren erklären eben nur zum Teil die schwere Krise des Autobauers. Hinzu kommen politisch mitverursachte Standortschwächen (wie hohe Energiepreise und erdrückende Bürokratie) und die ordnungspolitische Ursünde, dass in Wolfsburg stets das Land Niedersachsen als VW-Miteigentümer mit am Lenkrad saß und notwendige Anpassungsprozesse unterband. Im Volkswagenreich versuchte die SPD ihr Arbeiterparadies zu verwirklichen. Anders ist kaum erklärbar, dass zur Produktion eines Nissan in Europa 14,2 Arbeitsstunden benötigt werden, eines Ford 16,6 Stunden, zur Herstellung eines VW aber 35,2 Stunden. Das ist Rekord in Europa und sehr wahrscheinlich in der Welt. Mit seinem hohen Personaleinsatz und den in der Branche weit überdurchschnittlichen Löhnen produziert der Volumenhersteller VW schlicht nicht mehr wettbewerbsfähig. Und er kann sich auch nicht in die Premiumnische zurückziehen wie BMW und Mercedes.

Die Politik hätte also allen Grund, sich in der VW-Krise auch an die eigene Nase zu fassen. Sie tut es aber nicht. Stattdessen ruft der Kanzler „haltet den Dieb“, schwingt zum Arbeiterführer auf und verlangt, dass bei VW nicht die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Zeche für das (von der Politik befeuerte) Versagen der Manager zahlen dürften. Damit setzt Olaf Scholz die unselige Tradition der Einmischung in unternehmerische Entscheidungen fort. Das ist wohlfeil und zeigt, dass der wahlkämpfende Kanzler sogar noch auf seinem Industriegipfel die Augen vor den Problemen des Landes verschließt. Wäre er ein echter Autokanzler, würde er darauf drängen, dass wenigstens die von Brüssel angeordneten Strafzahlungen für die Verfehlung der ehrgeizigen EU-CO2-Flottenziele ausgesetzt werden. Hohe Zusatzlasten passen nicht zum Überlebenskampf der deutschen Autohersteller.
GEORG.ANASTASIADIS@OVB.NET

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