Bitter: Weniger Rente trotz längerer Arbeit

von Redaktion

Matthias W. Birkwald, Rentenexperte der Linken. © Soeder/DPA

Berlin – Deutschland wird älter, die Menschen leben länger, beziehen länger Rente und um das zu kompensieren, müssen sie auch länger arbeiten: Bis 2031 wird das Renteneintrittsalter von 65 auf 67 angehoben. Eine neue Berechnung einer Arbeitsexpertin zeigt jetzt aber, dass diese Annahme irreführend sein kann. Denn: Obwohl Menschen in den vergangenen Jahren später in Rente gegangen sind, ist die Lebenserwartung kaum gestiegen. Das Resultat: Die Menschen bekommen weniger Rente. Für die Linke ist das Anlass, die Erhöhung des Rentenalters zu stoppen.

Die Expertin für Arbeitsschutz- und Arbeitsmedizin, Dagmar Pattloch, sorgte vor Kurzem mit einer Analyse für Aufsehen. Sie stellte in einem wissenschaftlichen Papier die Frage, was die Anhebung des gesetzlichen Rentenalters bringt. Dabei hat die Forscherin eine präzisere Berechnungsmethode angewandt, als es die Behörden der Bundesregierung tun. Die Ergebnisse: 2022 haben Frauen und Männer ihre Rente kürzer bezogen als noch 2012. Männer bekamen im Schnitt 16,59 Jahre lang das Altersgeld (2012: 17,41 Jahre), Frauen 20,22 Jahre (2017: 21,51). Im Schnitt gingen die Deutschen 2022 mit 64,9 Jahren in Rente.

Das heißt, dass sich Pattloch zufolge die Länge der Rente bei Männern um 0,8 Jahre und bei Frauen um 1,3 Jahre verkürzte. Grund dafür ist, dass die Menschen im Laufe der zehn Jahre später in Rente gingen, sich die Lebenserwartung aber nicht erhöhte. „Dieser Aufschub von AR [Altersrente] übersteigt bei Weitem die Entwicklung der Lebenserwartung. Die Folge ist eine verkürzte Bezugsdauer von AR“, heißt es in Pattlochs Analyse.

Diesen Beitrag nahm Matthias W. Birkwald, rentenpolitischer Sprecher der Linken im Bundestag, zum Anlass, die offiziellen Zahlen der Bundesregierung dazu abzufragen. Die Antwort der Bundesregierung und die Daten des Statistischen Bundesamts liegen uns exklusiv vor. Daraus geht hervor, dass sich das durchschnittliche Renteneintrittsalter im Jahresverlauf kaum geändert hat. Darin zeigt sich auch, dass die Lebenserwartung insgesamt kaum gestiegen ist, bei Menschen ab 65 Jahren ist sie zwischen 2021 und 2022 sogar leicht gesunken. Dabei weist die Regierung auf die erhöhte Sterblichkeit während der Corona-Pandemie hin.

Für Birkwald zeigen sowohl Pattlochs Berechnungen als auch die Zahlen der Regierung, „dass für eine Diskussion über die Anhebung des Rentenalters aktuell keine faktische Grundlage besteht“. Die Bundesregierung nimmt die Ergebnisse Pattlochs nach Birkwalds Anfrage nun „zur Kenntnis“. Birkwald kritisiert vor allem die Nachwuchsorganisation der CDU und CSU: „Statt – wie die Junge Union – fälschlicherweise wieder lautstark eine Anhebung des Renteneintrittsalters zu fordern, sollten wir also erst einmal genau untersuchen, wozu die bisherige Anhebung des Renteneintrittsalters geführt hat.“
MORITZ MAIER

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