Hat er Angst vor Trumps Rache? Jeff Bezos (re.), Eigentümer von der „Washington Post“, Amazon und des Raumfahrtunternehmens Blue Origin, 2017 bei einem Treffen mit Trump. © imago
München – Donald Trump und Jeff Bezos konnten nie gut miteinander. Der eine war mal der mächtigste Mann der Welt, der andere der reichste. Vielleicht sind die zwei Alphatiere deshalb schon so oft aneinandergeraten. Die „Washington Post“, deren Eigentümer Amazon-Gründer Bezos ist, hatte etwa im Jahr 2017 berichtet, dass Trump in einigen seiner Golf-Clubs ein Cover des „Time“-Magazins an den Wänden hängen hat – darauf war Trumps Gesicht zu sehen und dazu ein Titel, der seine frühere Realityshow gelobt hat. Allerdings war das Cover gefälscht. Für den damaligen US-Präsidenten war das eine peinliche Enthüllung. Er bezeichnete die „Post“ als Fake News und schimpfte über Amazon, es sei der Ruin für Kleinunternehmer.
Heute scheint es sich Milliardär Bezos offenbar nicht mehr mit Trump verscherzen zu wollen. In nur wenigen Tagen könnte der Republikaner seinen Wiedereinzug ins Weiße Haus feiern. Und ausgerechnet jetzt bricht Bezos mit einer jahrzehntelangen Tradition: In den USA ist es – anders als in Deutschland – üblich, dass große Zeitungen eine offizielle Empfehlung für die Präsidentschaftswahlen aussprechen. Meinungsredakteure hatten sogar eine entsprechende Erklärung für Kamala Harris vorbereitet, aber Bezos gab die Anweisung: diesmal nicht.
Für Reporter und Leser ist das ein Eklat. In der allerheißesten Phase des Wahlkampfs verzichtet eine der renommiertesten US-Zeitungen auf ihre Wahlempfehlung – was für die überwiegend demokratische Leserschaft so klingt, als unterstütze man Trump. 250 000 Leser sollen kurzerhand ihr Abonnement bei der Zeitung gekündigt haben – das sind fast zehn Prozent aller Digital-Abos. Mehr als 20 Kolumnisten veröffentlichten zudem eine Stellungnahme, in der sie sich gegen Bezos stellten.
Bezos verteidigt seinen Schritt damit, dass er den „Anschein von Parteilichkeit“ vermeiden wolle. Gleichzeitig gab er zu, dass das Timing unglücklich sei: „Das war unzureichende Planung und keine bewusste Strategie“, erklärte er. „Aber ich versichere Ihnen, dass meine Ansichten hier prinzipiell sind, und ich glaube, dass mein bisheriges Engagement als Eigentümer der Post dies belegt.“
Ein Insider verrät gegenüber unserer Zeitung, dass sich Bezos schon vor längerer Zeit entschieden habe, dieses Jahr keine Wahlempfehlung abzugeben. Allerdings habe der kurzfristige Kandidatenwechsel zwischen Joe Biden und Kamala Harris auch bei der „Post“ einiges auf den Kopf gestellt: Bezos habe einfach zu spät kommuniziert. „Nun werfen ihm viele vor, dass er vor Trump eingeknickt sei – dabei hat er sich nicht mal für ihn ausgesprochen“, heißt es von der Quelle, die mit den Vorgängen vertraut ist. „Ich vermute hier eine Kampagne von links gegen Bezos.“
Viele Kritiker sehen das skeptischer. Denn neben der „Washington Post“ und Amazon gehört Bezos auch das Raumfahrtunternehmen Blue Origin, das sich einen heftigen Wettbewerb mit SpaceX liefert – dem Raumfahrtunternehmen von Tesla-Chef und Trump-Freund Elon Musk. Der nächste Präsident könnte wohl darüber entscheiden, ob die US-Regierung eher Reisen zum Mond (Bezos‘ Herzensprojekt) oder zum Mars (den Musk besiedeln will) priorisieren wird. Die beiden Rivalen sind von Regierungsaufträgen abhängig. Noch am selben Tag, an dem die „Post“ bekannt gab, keine Wahlempfehlung auszusprechen, trafen sich Führungskräfte von Blue Origin spontan mit Trump zu Gesprächen. Ihr Chef Bezos will davon nichts gewusst haben.