KOMMENTAR

Es ist vorbei

von Redaktion

Ampel in der Dauerkrise

Man mag es gar nicht mehr aufschreiben: Viel zu oft schon hat man als Journalist über die ewigen Streitereien in der Ampel berichtet, anfangs waren es noch inhaltliche Debatten, später immer mehr persönliche Eifersüchteleien und gar Intrigen. Letzte Woche gipfelte das – im wahrsten Sinne des Wortes – in parallelen Veranstaltungen von Kanzler und Finanzminister mit Wirtschaftsvertretern. Was für ein Kindergarten! Jetzt legt Christian Lindner noch mit einem Wirtschaftspapier nach, das sich wie eine Scheidungsurkunde liest. Unübersehbar werden die Anzeichen, dass nun alle genug haben. Und eine Regierung, mit der inzwischen 85 Prozent unzufrieden sind, schwächt auf Dauer die Demokratie. Deshalb ist es Zeit für Neuwahlen.

Kurz vor dem Wahltag in den USA droht dem Westen eine äußerst schwierige Gemengelage. In London sortiert man sich neu, in Paris bricht die Regierung mit der Politik von Emmanuel Macron. Doch gerade weil ein Wahlsieg Donald Trumps zum Greifen nahe scheint, braucht Berlin einen Neuanfang mit einem stabilen Bündnis und einem starken Bundeskanzler. Man kann sich schwer vorstellen, dass dieser für eine weitere Legislaturperiode Olaf Scholz heißen wird. Dieses Grundgefühl scheint sich im jüngsten Deutschlandtrend widerzuspiegeln, in dem sowohl die Union insgesamt als auch Friedrich Merz persönlich relativ stark zulegen. Beliebtester Politiker bleibt Boris Pistorius – offenbar als klare Projektionsfläche aller Hoffnungen, die Scholz nicht erfüllen konnte.

Lange versuchte das Bündnis, schlechte Umfragewerte mit unpopulären, aber zukunftsweisenden Weichenstellungen zu rechtfertigen. Lange versuchte auch die SPD, den vermittelnden Part zwischen Grünen und FDP zu übernehmen. Spätestens seit der Brandenburg-Wahl ist das vorbei. Das Krisenmanagement für die schwächelnde Wirtschaft zeigt, dass weder Kraft noch Wille zu gemeinsamem Handeln noch vorhanden ist.

Es wirkt wie schlechte Ironie, dass sich nun ausgerechnet Volker Wissing als letzter Fürsprecher des Bündnisses in der FDP in Stellung bringt. Einer jener Minister, die angesichts ihrer wichtigen Themenfelder (Verkehr und Digitalisierung) zu den größten Enttäuschungen dieses Kabinetts zählen. Frei nach Wolfgang Schäuble: Isch over.
MIKE.SCHIER@OVB.NET

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