Brüder im Geiste: Friedrich Merz (li.) und Christian Lindner bei einer Buchvorstellung über den Dächern des Bundestags im Jahr 2020. © Kay Nietfeld/dpa
München – Es ist vier Jahre her, dass sich die beiden den Medien ganz vertraut gezeigt haben. Im November 2020, die Ampel-Regierung ist da noch Zukunftsmusik, stellt Christian Lindner ein Buch von Friedrich Merz vor. „Wir kennen uns seit vielen Jahren“, sagt Merz damals. Und Lindner assistiert: „Wir sind beide Schwarz-Gelbe.“ Fürs Foto posieren sie über den Dächern des Bundestags mit Blick auf die Spree. Obwohl zwischen ihnen fast ein Vierteljahrhundert Altersunterschied liegt, wird klar, wie ähnlich sie ticken. Beide kommen aus NRW, beide halten es mit Borussia Dortmund – beide sind marktliberal und machthungrig. Legendär ist auch die Episode, wie Merz im Juli 2022 zur Lindner-Hochzeit auf Sylt einfliegt. Am Steuer der eigenen Maschine.
Drei Jahre Ampel aber haben dem Verhältnis von Hobby-Pilot und Porsche-Fan einigen Schaden zugefügt. Erst vor ein paar Wochen haderte Merz (68) in einem Interview mit dem 45-jährigen Finanzminister: „Ich verstehe ihn mittlerweile immer weniger. Ich weiß nicht, was er vorhat.“ Dann zählte er auf: In Brandenburg 0,8 Prozent, in Thüringen 0,9 Prozent, in Sachsen 1,1 Prozent. Auch in Hamburg bei der nächsten Bürgerschaftswahl im März habe die FDP keine Chance. „Ich weiß nicht, was die Partei vorhat. Das ist ja organisierter Selbstmord, was sie da im Augenblick betreiben. Aber das müssen Sie die FDP fragen. Ich bedaure das ein bisschen.“
Dieses Bedauern mag der Grund dafür sein, dass am Wochenende nur versöhnliche Töne aus der Union auf Lindners Wirtschaftspapier zu hören sind, das die Ampel nun an den Rand des Bruches bringt. In seinem E-Mail-Newsletter „MerzMail“ äußert sich der Kanzlerkandidat der Union freundlich über den Vorstoß. „Über Einzelheiten mag man diskutieren, aber die Vorschläge gehen in die richtige Richtung“, schreibt Merz an seine Anhänger. „Sie sind insgesamt auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft ausgerichtet und damit im Kern und zutreffend angebotsorientierte Wirtschaftspolitik.“ Einen Seitenhieb kann er sich aber nicht verkneifen: Die Vorschläge seien zum Teil wörtlich aus Anträgen der Union übernommen.
Es ist nicht das erste Mal, dass Union und FDP in den letzten Wochen offen ihre Gemeinsamkeiten betonen. Schon vor zwei Monaten, als die FDP auf eine Korrektur der Migrationspolitik pochte, sagte Lindner: „Die FDP steht zu überparteilichen Anstrengungen bereit, neuen Realismus in der Migration von Bund und Ländern konsequent durchzusetzen. Die Vorschläge von Herrn Merz zur Migration decken sich stark mit denen der FDP.“
Diese Annäherung zwischen Schwarzen und Gelben dürfte auch strategische Gründe haben. Beide wissen, dass sie bei der Wahl – wann auch immer sie stattfinden mag – glaubwürdiger wären, müssten nicht schon Zugeständnisse bei anschließenden Koalitionsverhandlungen eingepreist werden. Durch das Nein der CSU für ein Bündnis mit den Grünen und die ablehnende Haltung gegenüber AfD und BSW wird Merz – Stand jetzt – quasi automatisch in Gespräche mit der SPD getrieben. Das macht seine Verhandlungsposition nicht besser. Die unter die Fünf-Prozent-Marke gefallene FDP wiederum würde davon profitieren, wenn man nach dem Ampel-Aus überhaupt eine Machtoption hätte. Für die Partei geht es mal wieder ums Überleben. Bislang ist man von Mehrheiten zwar weit entfernt, aber Umfragen und Wahlverhalten schwanken inzwischen stark.
Noch aber regiert die FDP mit SPD und Grünen. In den nächsten Tagen dürfte sich die Zukunft des Bündnisses entscheiden. „Wir Grüne sind bereit, alles zu diskutieren, was gut für unser Land ist“, sagt Grünen-Chef Omid Nouripour in der „FAZ“. „Dazu gehört nicht, dass Koalitionäre einander ihre Parteiprogramme ultimativ vorlesen.“ Doch die FDP kennt kein Zurück. „Die wirtschaftliche Lage ist sehr ernst. Die bisherigen Beschlüsse reichen nicht aus“, sagt der bayerische Landesgruppenchef Karsten Klein, der sonst nicht als Scharfmacher bekannt ist. Es brauche „nicht nur Entbürokratisierung, Steuersenkung und solide Finanzpolitik, sondern auch einen Kurswechsel bei der Klimapolitik“.
Friedrich Merz gefällt das.