KOMMENTAR

Ein Wettbewerb der Ideen

von Redaktion

Was Deutschland jetzt braucht

Jetzt herrscht wieder große Aufregung über Christian Lindner! Der Finanzminister hat ein Wirtschaftspapier vorgelegt, das für seine Koalitionspartner 18 Seiten Provokation enthält. Das allgemeine Urteil lautet: Die ums Überleben kämpfenden Liberalen suchen den Notausgang aus der ungeliebten Koalition. Ein Kommentator zürnte sogar: „Die FDP nervt.“

Man kann das so sehen. Allerdings nur, wenn man Politik primär unter Gesichtspunkten der Machtarithmetik betrachtet. Dies hat in Deutschland mit der Zersplitterung des Parteiensystems stark zugenommen. Keineswegs nur in der Ampel. Auch Markus Söder redet weniger über Konzepte, sondern vor allem darüber, mit wem er nicht regieren möchte. Früher wurde innerhalb der Volksparteien unter den Sozial- oder Wirtschaftsflügeln über die richtigen Konzepte gerungen. Inhaltlich ging es dabei hart zur Sache. Heute stellt sich in den Mehrparteienbündnissen sofort die Existenzfrage.

Wirtschaftspolitik war in der Ampel immer schwierig: Die SPD denkt vom Arbeitnehmer her, die FDP vom Unternehmer – und die Grünen machen lieber staatliche Vorgaben für Klima- und Umweltschutz, nach denen sich alle zu richten haben. Als die Ampel vor drei Jahren, es fühlt sich an wie Jahrzehnte, ihre Arbeit begann, wirkten diese Konflikte überbrückbar. Mit dem russischen Einmarsch, der Energiekrise, den Lieferkettenproblemen, der Inflation und den daraus resultierenden Verwerfungen ist die Welt heute eine komplett andere. Nicht nur die Krise der Automobilindustrie zeigt: Die wirtschaftlichen Herausforderungen dieser Tage sind enorm.

Deutschland braucht jetzt einen Wettbewerb der Ideen. Insofern greift zu kurz, wer Lindner ausschließlich auf parteitaktische Motive reduziert. Hoffnung macht das unerwartete Lob von CDU-Chef Friedrich Merz („die Vorschläge gehen in die richtige Richtung“), weil er sich wieder darauf besinnt, mit wem man die größten inhaltlichen Schnittmengen hat. Niemand sollte indes allzu große Hoffnungen auf die Reformkraft einer Neuauflage der GroKo setzen.
MIKE.SCHIER@OVB.NET

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