KOMMENTAR

Für Lindner gibt es keinen Weg zurück

von Redaktion

Ampel vor dem Aus

Am Mittwochmorgen wachen die Bundesbürger mit einem neuen US-Präsidenten auf, und womöglich gehen sie dem Ende ihrer Bundesregierung zu Bett: Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die bis dahin stattfindenden Krisengespräche zwischen Kanzler Scholz, Klimaminister Habeck und Finanzminister Lindner scheitern und der Koalitionsausschuss am Mittwochabend zu dem Schluss kommt, dass es keine weitere Basis für eine Fortsetzung der Ampel mehr gibt. Die jüngsten Äußerungen aus der SPD-Spitze – Parteichef Klingbeil etwa wirft der FDP „neoliberale Ideologie“ vor – deuten nicht darauf hin, dass es dort eine ausreichende Bereitschaft gibt, auf die Forderung der FDP nach einer „Wirtschaftswende“ einzugehen.

Wie auch. Mit der Wahl ihres neuen Generalsekretärs Matthias Miersch hat die SPD klar gemacht, wo sie im Wahlkampf hin will – nämlich stramm nach links, mit neuen Reichensteuern und noch mehr Lohnauflagen für Unternehmen. Dazu passen die von FDP-Chef Lindner richtigerweise verlangten Steuersenkungen und Bürgergeld-Kürzungen nicht, ebenso wenig sein Ruf nach einem Stopp von Lieferketten- und Tariftreuegesetz, die umfangreiche neue Bürokratielasten für Betriebe auslösen würden. Längst ist der durch die miserablen Umfragen geschwächte Kanzler zum Gefangenen der SPD-Linken Mützenich und Miersch geworden, die auch die Zeitenwende in der Russlandpolitik zurückdrehen wollen. Das Ganze erinnert frappant an das Ende von Kanzler Helmut Schmidt, dem 1982 ebenfalls die eigene SPD bei der Nato-Nachrüstung von der Fahne ging, ehe die sozialliberale Koalition über das Wendepapier von FDP-Wirtschaftsminister Graf Lambsdorff zerbrach.

Lindner ist die prekäre Lage des Kanzlers nicht verborgen geblieben. Zugleich schreien die verheerenden Daten nach einer völlig anderen Wirtschaftspolitik. Das ist keine neue Laune der FDP, wie manche Leitartikler, die es noch nie gut mit den Liberalen meinten, jetzt zürnen. Sondern ein Gebot des Überlebens des Standorts mit seinen Millionen bedrohten Arbeitsplätzen. Deutschland und seine vielen fleißigen Menschen haben etwas Besseres verdient als die Peinlich-Ampel, die nur noch Arbeit für Satiriker schafft. Dem spätabendlichen Krisentreffen am Sonntag mit Scholz ließ der FDP-Chef einen Tweet folgen, mit dem er den Druck auf seinen Regierungschef abermals erhöhte. Der FDP-Chef hat Anlauf genommen. Jetzt muss er aber auch springen, wenn er das Land voranbringen und die letzte Rettungschance für seine liberale Partei nutzen will. Für Lindner gibt es nach seinem Machtwort keinen Weg mehr zurück.
GEORG.ANASTASIADIS@OVB.NET

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