Der große Verlierer heißt Joe Biden

von Redaktion

Joe Biden verlässt am 20. Januar das Weiße Haus. Er wäre gern geblieben. Grafik: afp, F: Getty

Washington – Für wen auch immer die Amerikaner vergangene Nacht gestimmt haben, der große Verlierer stand schon vorher fest: US-Präsident Joe Biden. Denn folgende politische Bewertungen waren bereits programmiert: Gewinnt Donald Trump zum zweiten Mal die Präsidentschaft, werden die Demokraten lamentieren, dass der altersschwache Biden zu lange an der Spitzenkandidatur festhielt. Dass Kamala Harris deshalb zu wenig Zeit für einen überzeugenden Wahlkampf hatte. Und dass Biden mit seiner Migrationspolitik unentschlossene Wähler Trump in die Arme getrieben habe.

Kamala Harris distanzierte sich zuletzt von Biden

Gewinnt hingegen Kamala Harris, können sie und die Demokraten schwerlich Biden danken. Der unbeliebte Präsident war zuletzt an ihrer Seite nicht erwünscht. Soloauftritte des Präsidenten brachten gerade einmal 150 Zuhörer. Und Harris distanzierte sich in den letzten Wochen auch programmatisch deutlich von ihm: Ihre Politik werde anders als die Politik Bidens sein, sagte sie. Denn sie wolle „einen neuen Weg“ beschreiten.

Aus Joe Bidens Umfeld ist zu hören, dass er bereut, das Feld für Harris geräumt zu haben. Es muss ihn geschmerzt haben, dass Barack Obama, Nancy Pelosi und Co. ausgerechnet auf Harris setzten – die Vizepräsidentin, mit der Biden während seiner Amtszeit nur minimal kommuniziert hatte. Dass Biden bis heute annimmt, bessere Chancen als seine Vizepräsidentin gegen Trump gehabt zu haben, muss man wohl auch einem gewissen Altersstarrsinn zuschreiben. Denn Harris ließ Trump im einzigen TV-Duell wie einen unvorbereiteten Schwadronierer aussehen, während Biden beim Aufeinandertreffen mit dem Republikaner so kläglich versagte, dass die Austausch-Debatte unmittelbar nach Sendeschluss startete.

Am Ende gingen Biden die Argumente aus, um an seiner Präsidentschaftskandidatur festzuhalten. Sein Team wäre sonst gezwungen gewesen, die Lüge von einem kognitiv makellosen Präsidenten mit allen Mitteln aufrechtzuerhalten – ein schier unmögliches Unterfangen, denn Altersschwäche bessert sich nicht mit fortschreitender Zeit.

Biden geht ohne außenpolitisches Vermächtnis

Dabei ist seine Bilanz gar nicht so schlecht. Seine Gesetze zur Konjunkturbelebung zeigen Wirkung, die Arbeitslosenquote ist auf einem akzeptablen Niveau. Die Börsen an der Wall Street haben ein Rekordniveau erreicht – was vor allem Besserverdienende freut. Denn jene Bürger der Mittelschicht in den USA, die von einem Gehaltsscheck zum anderen leben, hatten seit 2021 aufgrund der Inflation kaum eine Chance, Aktien zu kaufen.

Außenpolitisch hat sich Biden nicht mit Ruhm bekleckert. Der Präsident ließ die Ukraine nach dem russischen Angriff lange um wirksame Hilfen bitten. Auch im Gaza-Krieg schaffte er es bislang nicht, die Beteiligten zu einem Waffenstillstand zu bewegen, weil er weder maximalen Druck auf Israel noch auf die Hamas-Freunde in Katar ausüben wollte. Und der chaotische Afghanistan-Abzug wird für immer ein Schandfleck in Bidens Vita bleiben, weil er Zweifel an den strategischen Fähigkeiten der Weltmacht nur noch verstärkte.

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