Ein Ex-Investmentbanker wird Minister

von Redaktion

Berlin – Das Gemurre in der SPD war nicht zu überhören, als Olaf Scholz 2018 einen einflussreichen Investmentbanker ins Finanzministerium holte. Jörg Kukies war damals der Co-Chef von Goldman Sachs in Deutschland – er verzichtete für den Wechsel in die Politik auf viel Geld. Und blieb: Nach dreieinhalb Jahren als Finanz-Staatssekretär wechselte er Ende 2021 an der Seite von Scholz als Wirtschaftsberater ins Kanzleramt. Jetzt wird der Vertraute des Kanzlers Bundesfinanzminister.

An der Parteitreue gibt es trotz der Berufswahl keinen Zweifel: Der 56-jährige Kukies ist SPD-Mitglied, seit er 18 ist – der Mainzer (und FSV-Fan) war Anfang der 90er sogar kurzzeitig der Vorsitzende der Jungsozialisten in Rheinland-Pfalz. Das Amt gab er auf, als er für sein Studium der Wirtschaftswissenschaften nach Paris wechselte. Von dort ging er in die USA an die renommierte Harvard-Universität, in Chicago machte er seinen Doktor.

Der Beginn einer wissenschaftlichen Karriere – doch 2001 entschied sich Kukies anders: für einen Job bei Goldman Sachs in New York. Kukies arbeitete nach einer kurzen Einführung zunächst in London, 2004 wechselte er als Aktienexperte nach Frankfurt. 2014 wurde er Co-Chef für das Geschäft in Deutschland und Österreich.

Die Überraschung war groß, als Scholz, seit März 2018 Finanzminister, den Investmentbanker zum Staatssekretär machte, Spezialgebiet Finanzmarktregulierung. „Ein echter Paukenschlag“, urteilte das „Handelsblatt“. Den Kontakt vermittelte Andrea Nahles, wie Kukies ehemalige Juso-Vorsitzende in Rheinland-Pfalz. Der Finanz-Staatssekretär bewährte sich in der Corona-Krise: Kukies leitete den Wirtschaftsstabilisierungsfonds und fädelte als Chefverhandler die vorübergehende Verstaatlichung der Lufthansa ein, die dem Bund letztlich einen Gewinn brachte.

Zum Problem wurde der Fall des später insolventen Zahlungsdienstleisters Wirecard, dessen Chef Markus Braun Kukies 2019 im Finanzministerium traf. Die FDP forderte den Rücktritt, Kukies fehle der nötige Abstand zu dem Skandalkonzern. Im Untersuchungsausschuss wurden jedoch zahlreiche Akten aufgeführt, die – so fand zumindest die SPD – eine „kritische Haltung“ gegenüber Wirecard belegten.

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