„Keine Schlammschlacht“: Friedrich Merz im Bundestag, neben ihm CSU-Spitzenkandidat Alexander Dobrindt. © dpa
München/Berlin – Auf diesen Moment hat Friedrich Merz nun bald drei Jahre gewartet. Aber er verkneift sich Siegesgeheul oder Jubel, als die Ampel-Koalition zerreißt. Keine einzige Wortmeldung des CDU-Chefs Mittwochnacht, und dann am Donnerstag vor Parteifreunden eine eher leise Ansage: „Das ist keine Zeit für Triumph“, ermahnt Merz die Unionsfraktion intern, er bittet um „Klarheit und Demut“.
Demut, wo ein Wahlkampf losbricht und er gute Chancen hat, Kanzler zu werden? Merz‘ Moll ist einer strategischen und verfassungsrechtlichen Klemme geschuldet. Er mag sich nun als Schattenkanzler sehen, in Umfragen klar führen, doch den amtierenden Regierungschef Olaf Scholz (SPD) wird er vorerst nicht los. Nur der Kanzler selbst kann die Vertrauensfrage stellen. Ein Misstrauensvotum wäre nur „konstruktiv“ denkbar, also die Wahl eines neuen Kanzlers im Bundestag. Dafür wäre Oppositionsführer Merz aktuell auf Stimmen der AfD angewiesen – undenkbar.
Ihm bleibt nur, den Druck auf Scholz zu erhöhen. Merz tut das öffentlich und in einem Vier-Augen-Gespräch am Mittag in Berlin: „Spätestens Anfang nächster Woche“ solle Scholz das Prozedere zur Neuwahl einleiten. Die Legislaturperiode sei doch eigentlich zu Ende. Auch mit dem Bundespräsidenten trifft sich Merz.
Für die Union ist die Lage auch strategisch schwierig. Scholz hat Merz gebeten, noch einige Schlüsselprojekte für Wirtschaft und Verteidigung im Bundestag mitzutragen; SPD und Grüne allein haben ja keine Mehrheit. Die Union will zwar staatstragend auftreten, aber Scholz‘ Restlaufzeit nicht verlängern. Erst nach der Vertrauensfrage sei man bereit, noch über eine Unterstützung bestimmter Gesetzesvorhaben zu sprechen, macht Merz deshalb klar. Vor allem gilt als ausgeschlossen, Rot-Grün noch zu einem 2025er-Haushalt zu verhelfen. Ebenso ist die vor ein paar Monaten mal ventilierte Idee vom Tisch, mit einigen Ministern eine schnelle Übergangs-Groko unter Scholz aufzufüllen.
Auffällig: Auch nach dem Ampel-Knall bleiben Merz in Berlin und CSU-Chef Markus Söder in München inhaltlich auf einer Linie, stimmen sich teils im Stundentakt per Handy ab. Auch Söder fordert schnellstmöglich Neuwahlen, warnt vor einem „Schmierentheater“, bei dem Scholz noch ein paar Monate am Amt klebe. Auch Söder warnt vor „Jubel“ oder „Häme“. Und auch er zieht sofort klar: keine Stimmensuche ganz rechts bei der AfD. „Das gäbe keine stabile Mehrheit, man wäre angewiesen auf Stimmen, die für die Demokratie nicht gut wären.“
Söder betont, auf einen schnellen Wahlkampf sei die Union vorbereitet. Das Material der CSU sei „komplett fertig“, er kündigt Plakate mit Merz an, ein fast fertiges Wahlprogramm und eine Listenaufstellung im Dezember oder Januar. Das Personal steht bereit. Spitzenkandidat soll Alexander Dobrindt werden – als Landesgruppenchef in Berlin der logische Bewerber. Bayerische Minister kommen nicht auf die Liste, bekräftigt Söder, die sollten in München „ihre Arbeit machen“. Das schließt formal nicht aus, dass etwa Agrarministerin Michaela Kaniber nach der Wahl ohne Mandat nach Berlin in ein Kabinett gehen könnte. Für sich wiederholt Söder, er werde keinesfalls als Minister nach Berlin wechseln.
In Berlin erwarten Beobachter einen kurzen, aber schmutzigen Wahlkampf, auch mit persönlichen Attacken auf Merz, seine Blackrock-Historie, sein Vermögen, sein Alter. Die Union gelobt einen anderen Stil. „Keine Schlammschlacht, keine persönliche Verunglimpfung“, sagt Söder. Für „Seriosität, Verlässlichkeit, nicht Hü und Hott“ wolle die Union stehen. Er warnt, wenn Neuwahl und Regierungswechsel in Chaos abrutschen, „scheitern Land und Demokratie“.
Ob der gute Vorsatz hält, ist offen. Allerdings weiß die Union, dass sie nach einer Wahl wohl auf die SPD angewiesen wäre. In Umfagen liegt die Union knapp über 30 Prozent, die SPD bei 15, das dürfte zur Mehrheit der Mandate reichen. Mit den Grünen (ungefähr zehn) und der FDP knapp unter der Fünfer-Hürde würde es derzeit nicht fürs Regieren reichen.