Ungewisse Reise: Im Oktober wurden die ersten Migranten von der italienischen Küstenwache in ein neu eröffnetes Lager in Albanien geschickt. © Valeria Ferrario/dpa
Rom/Tirana – Italien hat nach einer ersten Niederlage vor Gericht wieder Flüchtlinge nach Albanien gebracht, um dort in Lagern außerhalb der EU über deren Asylanträge zu entscheiden. Nach tagelanger Fahrt übers Mittelmeer lief ein Schiff der italienischen Marine mit acht Migranten aus Ägypten und Bangladesch im Hafen der Stadt Shengjin ein. Nun wird geprüft, ob sie nach Italien dürfen oder sofort wieder zurückgeschickt werden.
Nach einer ersten medizinischen Untersuchung in Shengjin klagte einer der Männer jedoch über erhebliche gesundheitliche Probleme. Die italienischen Behörden entschieden daher, dass der Mann nach Italien überstellt werden soll. In Italien soll nun über seinen Antrag entschieden werden.
Italien ist der erste Staat der Europäischen Union, der außerhalb der EU-Grenzen Lager errichtet hat. Das „Albanien-Modell“ der Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni ist umstritten. In Italien hat sich ein heftiger Streit zwischen Regierung und Justiz entwickelt. Inzwischen prüft der Rechnungshof, ob die hohen Kosten angemessen sind.
Das Marineschiff „Libra“ hatte die Männer aus Ägypten und Bangladesch vor einigen Tagen von einem Flüchtlingsboot an Bord genommen, das sich aus Afrika auf den Weg nach Europa gemacht hatte. Ursprüngliches Ziel war die Mittelmeerinsel Lampedusa – einer der Brennpunkte der Fluchtrouten nach Europa. Die Zahl von lediglich acht erklärt sich dadurch, dass die italienischen Beamten genau darauf achteten, dass es sich nur um erwachsene Männer aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten handelt.
Eben daran war ein erster Versuch der Meloni-Regierung im vergangenen Monat gescheitert: 16 Männer aus Ägypten und Bangladesch mussten aus Albanien schließlich nach Italien gebracht werden. Ein Gericht in Rom entschied, dass beide Länder keine sicheren Herkunftsstaaten sind. Die Regierung legte daraufhin per Dekret eine neue Liste mit 19 vermeintlich sicheren Herkunftsländern fest, darunter wieder Ägypten und Bangladesch.
Allerdings gibt es Zweifel, ob Meloni damit vor Gericht durchkommt. Die italienische Justiz beruft sich bislang auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, wonach ein Land nur dann als sicheres Herkunftsland eingestuft werden darf, wenn dort nirgends Verfolgung droht. Erwartet wird, dass auch der neue Versuch vor der Justiz landet.
Italien gehört seit vielen Jahren zu jenen Ländern, die von der Fluchtbewegung übers Mittelmeer besonders stark betroffen sind. Trotz eines deutlichen Rückgangs landeten auch in diesem Jahr bislang wieder mehr als 50 000 Menschen nach teilweise lebensgefährlichen Überfahrten an der italienischen Küste.
Meloni war vor zwei Jahren mit ihrer Rechtspartei Fratelli d’Italia mit dem Versprechen an die Regierung gekommen, die irreguläre Einwanderung massiv zu begrenzen. Sie hielt der Justiz nach der ersten Niederlage vor, sich in politische Belange einzumischen. Die Opposition sieht nun die Gewaltenteilung in großer Gefahr. Zudem kritisieren die Linke und Menschenrechtsgruppen die hohen Kosten – nach ihren Angaben 20 000 Euro pro Flüchtling.