Als Özdemirs Handy klingelt – in Sambia

von Redaktion

Cem Özdemir ist wieder daheim. Und Doppel-Minister.

Addis Abeba/Lusaka – Es ist Donnerstag, 9:08 Uhr Ortszeit in Sambia, als Cem Özdemirs Handy klingelt. Am anderen Ende der Leitung wartet Robert Habeck darauf, dass Özdemir abhebt. Zu diesem Zeitpunkt weiß der Landwirtschaftsminister noch nicht, dass er bald ein zweites Ressort dazubekommen soll. Er geht nicht ran, holt das Gespräch im Auto nach, während er zwei Autostunden über eine bucklige Straße aufs Land zu einem Agrarprojekt des Ministeriums fährt. Während den Schicksals-Tagen der Ampel in Berlin ist der Landwirtschaftsminister auf Afrika-Reise in Äthiopien und Sambia.

Am Nachmittag telefonieren Wirtschaftsminister Habeck und Özdemir dann. Als Özdemir auflegt, ist er designierter Bildungsminister. Er übernimmt das Amt von Bettina Stark-Watzinger, die die Regierung wie drei andere FDP-Minister verlassen hat. Der Grünen-Politiker musste allerdings noch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vereidigt werden. Weil das nur persönlich geht, wollte Özdemir seine Afrika-Reise nach Informationen unserer Zeitung vorzeitig abbrechen und früher nach Deutschland zurückfliegen. Dafür gab es aber keine Genehmigung. Wie es aus Delegationskreisen heißt, waren die afrikanischen Behörden mit der kurzfristigen Anfrage überfordert. Der Luftraum wird nicht freigegeben.

Also setzt Özdemir seine Tour in Sambia fort, während die verbleibenden Koalitionspartner, Grüne und SPD, die Scherben der Ampel aufkehren. Nach dem Gespräch mit Habeck pflanzt der nun auch Bildungs- und Wissenschaftsminister wie geplant mit sambischen Bauern einen Mahagoni-Baum. Der Baum soll besonders resistent gegen Ungeziefer sein und unliebsame Gegner mühelos abwehren können. Gegner? Hat Özdemir im zusammengerupften Scholz-Kabinett nun weniger. Mit Volker Wissing, dem einzigen FDP-Minister, der das sinkende Ampel-Schiff nicht verlassen hat, versteht er sich gut. Mit anderen aus der FDP war das nicht immer der Fall.

Er bedaure es, dass einzelne Ampel-Politiker „nicht in der Lage waren, über ihren Schatten zu springen“, sagt Özdemir gegenüber unserer Redaktion. Als er vor der Reise in den Flieger stieg, hatte er noch betont: „Es wurde schon so oft gesagt, dass die Koalition am Ende ist, dass es kaum noch jemand glaubt.“ Am Mittwochabend ist die Koalition am Ende. Özdemir ist zu diesem Zeitpunkt auf seinem Zimmer in Lusaka, Sambia. 11 000 Kilometer vom Chaos in Berlin entfernt.

Zu seiner zusätzlichen Aufgabe als Bildungsminister sagt er einen Tag später ganz staatstragend: „Ich will mich in dieser schwierigen Lage der Verantwortung für unser Land stellen.“ Wie es aus dem Grünen-Umfeld heißt, spielte wohl auch die Profilierung eine Rolle. Man wolle Özdemir die Chance geben, sich als „Super-Minister“ in Stellung zu bringen. Ende Oktober hatte Özdemir seine Kandidatur als Ministerpräsident bei der Baden-Württemberg-Wahl bekanntgegeben.
ANDREAS SCHMID

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