In den USA steht Donald Trump vor einer zweiten Präsidentschaft, in Berlin zerbricht die Ampel, die deutsche Wirtschaft wächst nicht mehr, tausende Arbeitsplätze stehen auf der Kippe. Egal, wohin man blickt: Es herrschen Stress, Umbruch, Unsicherheit.
Während alle glauben, dass es mit der Welt bergab geht, haben gestern die Arbeitgeber der Metall- und Elektroindustrie sowie die IG Metall das genaue Gegenteil bewiesen: Die Tarif-Bezirke Bayern und Küste haben überraschend schnell und ohne Maximal-Eskalation einem Pilotabschluss zugestimmt. Für die 3,9 Millionen Beschäftigten der Branche soll es 5,1 Prozent mehr Lohn geben, ein Signal auch für andere Branchen.
Überraschend ist die Einigung deshalb, weil für beide Parteien viel auf dem Spiel stand: Etliche Unternehmen – etwa die Autoindustrie und deren Zulieferer – kämpfen mit Verlusten, Besserung ist nicht in Sicht, Spielraum für üppige Lohnerhöhungen gibt es aus deren Sicht praktisch nicht. Auf der anderen Seite die Beschäftigten: Die 250-Gramm-Packung Butter kostet 2,39 Euro beim Discounter, die Mieten steigen weiter, die hohen Preise deprimieren.
Trotzdem waren etwa Bertram Brossardt von den Arbeitgebern sowie Horst Ott von der IG Metall Bayern recht schnell zu Kompromissen bereit – obwohl sie aus ihrer jeweiligen Sicht schmerzhaft waren. Offenbar hatte niemand ein Interesse, das Land noch weiter zu lähmen. Eine künftige Bundesregierung sollte sich diese Verhandlungskultur zum Vorbild nehmen, denn sie zeigt: Selbst wenn die Positionen meilenweit auseinanderliegen, Kompromisse sind möglich. Voraussetzung: Der Wille zur Einigung muss da sein. Manche Politiker scheinen das vergessen zu haben.
SEBASTIAN.HOELZLE@OVB.NET