Großangriff auf Kiew: Die ukrainische Hauptstadt wurde gestern zum ersten Mal seit 73 Tagen wieder parallel mit Raketen und Drohnen attackiert. © Handout/AFP
Paris/Brüssel – Angesichts des wachsenden russischen Drucks an der Ostfront und des nahenden Winters fordert Nato-Generalsekretär Mark Rutte mehr Unterstützung für die Ukraine. „Wir müssen mehr tun, als nur die Ukraine im Kampf zu halten. Wir müssen die Kosten für Putin und seine autoritären Freunde in die Höhe treiben, indem wir der Ukraine die Unterstützung zukommen lassen, die sie braucht, um den Verlauf des Konflikts zu ändern“, sagte Rutte kurz vor einem Treffen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Paris.
Speziell in Washington stößt er damit auf offene Ohren. Vor dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Donald Trump am 20. Januar will die scheidende US-Regierung die Ukraine noch im vollen Umfang unterstützen. Das sicherte Außenminister Antony Blinken den Nato-Partnern bei einem Brüssel-Besuch zu. „Präsident Biden setzt sich dafür ein, dass jeder Dollar, der uns zur Verfügung steht, bis zum 20. Januar ausgegeben wird“, sagte Blinken.
Der US-Außenminister verwies auf rund 8,5 Milliarden Dollar, die Washington zuletzt für die Sicherheit der Ukraine zugesagt habe. Sie gehören zu den Mitteln, die der Kongress für Kiew bewilligt hatte. Blinken drängte die europäischen Partner, auch künftig die Ausbildung und Ausrüstung der ukrainischen Streitkräfte sicherzustellen. Nötig seien „mehr Artillerie, mehr Luftverteidigung und mehr Munition“.
Rutte sagte, die westlichen Partner müssten sich erneut dazu verpflichten, den Kurs langfristig beizubehalten. Es sei wichtig, die Unterstützung fortzusetzen, während sich die Ukrainer auf den möglicherweise härtesten Winter seit 2022 vorbereiteten.
Nach dem Treffen mit Macron sagte er, Russland setze nicht nur seinen Angriff auf die Ukraine fort, sondern rücke gleichzeitig immer näher an seine Verbündeten China, Iran und Nordkorea heran. „Wir müssen also zusammenstehen – Europa, Nordamerika und unsere globalen Partner –, um die Sicherheit und den Wohlstand unserer Bevölkerung zu gewährleisten“, sagte Rutte. „Je mehr wir für die Verteidigung ausgeben, desto mehr verringern wir das Risiko künftiger Konflikte.“
Tausende nordkoreanische Soldaten sind nach US-Angaben bei den Kämpfen in der russischen Grenzregion Kursk gegen ukrainische Soldaten im Einsatz. Die meisten der mehr als 10 000 in den Osten Russlands geschickten Nordkoreaner seien in das Gebiet Kursk entsendet worden, wo sie begonnen hätten, „gemeinsam mit den russischen Streitkräften in Kampfhandlungen einzutreten“, sagte Außenamtssprecher Vedant Patel in Washington.
Gestern bekannte sich die Ukraine zu einem Angriff auf die von Russland annektierte Halbinsel Krim, bei dem ein russischer Militärangehöriger getötet wurde. Der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU habe den Marineoffizier Walery Trankowsky bei einem „Sondereinsatz“ mithilfe einer Autobombe getötet, verlautete es aus Geheimdienstkreisen. Trankowsky sei ein „Kriegsverbrecher“ gewesen, der Marschflugkörper aus dem Schwarzen Meer auf zivile Ziele in der Ukraine abgefeuert habe. Der Offizier sei daher ein „absolut legitimes Ziel gewesen“, hieß es weiter. Demnach war er insbesondere an einem Raketenangriff auf die Stadt Winnyzja beteiligt, bei dem rund dreißig Zivilisten getötet wurden.
Unterdessen hat das russische Militär die ukrainische Hauptstadt Kiew mit Raketen und Drohnen angegriffen. Es sei der erste derartige kombinierte Angriff seit 73 Tagen gewesen, teilte der Chef der Militärverwaltung, Serhij Popko, mit. Mehrere Objekte seien abgeschossen worden. Östlich von Kiew wurde nach Behördenangaben durch herabstürzende Raketentrümmer ein Mensch leicht verletzt.