Gruß nach Berlin: Hubert Aiwanger, Bundes- und Landesvorsitzender, will in den Bundestag. © Harald Tittel/dpa
München – Die Freude war groß bei der CSU, als im Sommer das Bundesverfassungsgericht das Ampel-Wahlrecht kippte. Inzwischen zeigt sich, dass die Söder-Partei aber gar nicht der große Gewinner in Karlsruhe war. Dass auch künftig bundesweit drei Direktmandate für den Einzug in den Bundestag reichen, auch bei einem Ergebnis weit unter fünf Prozent, ist die bisher größte Chance für die Freien Wähler, in der Bundespolitik ernsthaft in Mannschaftsstärke mitzumischen. Heute stellt Parteichef Hubert Aiwanger dafür seinen Plan und ein Team vor. Er will mit regionalen FW-Promis die Hürde schaffen, berichten mehrere Beteiligte.
Aiwanger selbst, obwohl Vizeministerpräsident in Bayern, tritt an – aber nicht bei sich im Wahlkreis Landshut, sondern in einem Nachbar-Kreis, vermutlich Rottal. Daheim kandidiert sein Landrat Peter Dreier, der in der Flüchtlingskrise bundesweit Schlagzeilen machte. Man müsse „kommunalen Verstand nach Berlin tragen“, sagt der 57-Jährige. Die jeweiligen CSU-Gegenkandidaten gelten als schlagbar; nirgendwo waren die Freien Wähler zuletzt so stark wie in Niederbayern. Das dritte Direktmandat soll aus dem Allgäu oder Augsburg kommen, dort kandidieren die Landrätin Indra Baier-Müller und Gersthofens Bürgermeister Michael Wörle.
Spannend wird, ob die Regensburger Landrätin und Aiwanger-Lebensgefährtin Tanja Schweiger ebenfalls antritt; eher nein, sagen kundige FWler. Juristisch stünde nichts entgegen. Sie soll aber, so ist zu hören, die Chancen als eher mäßig einschätzen. Die Partei hatte nach der Flugblatt-Affäre bayernweit Rekordergebnisse, sinkt in Umfragen aber wieder. Und hat im Rest der Republik bei Landtagswahlen zuletzt sehr ernüchternde Resultate eingefahren. Für einen Landrat ist es heikel, für Berlin zu kandidieren, im Fall eines Scheiterns dann aber zuhause zu erzählen, dass es nichts Schöneres als die Heimat gebe.
Deshalb hat sich Aiwanger auch einige Absagen eingehandelt. Vor allem in Oberbayern. Die erfahrenen Landräte Anton Speer (Garmisch) und Josef Niedermaier (Bad Tölz-Wolfratshausen) winkten ab. „Was sollte ich in Berlin, die verstehen mich doch gar nicht“, scherzt Niedermaier. Und ergänzt ernsthaft: Er sei kein Freund einer FW-Bundestags-Kandidatur, aber „mit Leib und Seele Kommunalpolitiker“. Für Freising/Pfaffenhofen sagte Roland Weigert ab, der Ex-Staatssekretär mit Landtags-Direktmandat; auch Freisings Landrat Helmut Petz kandidiert nicht. Und in Schwaben steht für Digitalminister Fabian Mehring fest, in der Landespolitik zu bleiben. Ebenso für Ex-Minister Michael Piazolo in München, wo für die Partei ohnehin direkt kaum was zu holen wäre.
Was Aiwanger nach dem Bundestags-Einzug plant, sagt er offen: Ziel ist eine bürgerliche Koalition mit CDU, CSU und FDP, die momentan keine Mehrheit allein haben. Wie viele FW-Abgeordnete aus dem ganzen Bundesgebiet dank der Drei-Mandats-Klausel in den Bundestag einziehen würden, lässt sich kaum seriös berechnen; sicher wäre es eine niedrige zweistellige Zahl.
Die CSU ist verärgert über Aiwangers Wahlkreis-Wechseltrick. Intern ist klar: Jede FW-Stimme fehlt, Zweitstimmen schmerzlicher als Erststimmen. Offiziell verbreitet Spitzenkandidat Alexander Dobrindt Gelassenheit. Aiwangers Kandidatur sei nur ein Faschingsscherz, sagte er vor wenigen Tagen.
C. DEUTSCHLÄNDER/A. STEPPAN