Kampf um die Wehrpflicht

von Redaktion

Gute alte Wehrpflicht – oder vertrödelte Zeit? Unser Bild zeigt zwei der letzten Rekruten in Amberg 2011. © Daniel Karmann/dpa

Berlin – „Ihr lebt in einem Land, in dem ihr alle Chancen habt – so gut wie in wenigen anderen Ländern der Welt. Heißt, wir können und wir dürfen von euch auch etwas erwarten.“ Beim Kongress der CDU zur Wehrpflicht und zu einem Gesellschaftsjahr nimmt Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz gegenüber der jungen Generation kein Blatt vor den Mund. Er sieht die Jungen in der Verantwortung, denn die Welt sei inzwischen eine andere, die Bedrohungslage auch, so die Botschaft. Statt einem freiwilligen Wehrdienst, wie ihn die Ampel-Koalition noch vorgesehen hatte, brauche es „eine echte Wehrpflicht“, sagt auch der CDU-Politiker Johann Wadepuhl. Die bisherigen Pläne gehen der Union nicht annähernd weit genug.

CDU und CSU wollen eine Kontingent-Wehrpflicht. Anders als die klassische Wehrpflicht sieht diese nicht vor, alle jungen Männer (und möglicherweise auch Frauen) zu verpflichten, sondern nur eine bestimmte Anzahl von ihnen, die durch Losverfahren oder eine Art Bedarfsanalyse ermittelt werden. Wie viele Menschen man letztlich braucht, bleibt Fachleuten der Bundeswehr überlassen. Die sollen festlegen, wie hoch der Personalbedarf für ein Jahr ist. Nur wer zur Deckung des Personalbedarfs gebraucht wird, soll auch eingezogen werden.

In einem ersten Schritt sollen dabei alle 18-Jährigen angeschrieben und aufgefordert werden, einen Personalbogen auszufüllen, in dem sie Angaben zur körperlichen Fitness machen und erklären, ob man freiwillig zu einem Wehrdienst bereit wäre. Die geeignetsten werden dann zu einer Musterung gebeten. Anders als die Ampel-Koalition will die Union aber „eine echte Wehrpflicht und keinen unverbindlichen Fragebogen“, sagte Wadephul. Zur Not müsse man die Jungen zum Dienst zwingen. Wenn es nicht genug Freiwillige gibt, die sich in der ersten Runde melden, wird zwangsrekrutiert.

Zum Vergleich: Die Ampel hat in ihrer allerletzten Kabinettssitzung eine Art Light-Modell für die Pflicht beschlossen. Alle jungen Männer, die vom kommenden Jahr an 18 Jahre alt werden, müssen einen Fragebogen beantworten zu ihrer Bereitschaft und Fähigkeit zum Militärdienst. Junge Frauen können, müssen aber nicht antworten. Zu einer sechsmonatigen Basisausbildung eingezogen werden nur Freiwillige. Noch gilt das aber nicht, das Gesetz ist noch nicht durch den Bundestag gekommen.

Verpflichtungsmodelle sind laut Union aber allein deswegen nötig, weil die Bundeswehr eine erhebliche Personalnot hat. Freiwillige melden sich nicht genug. Die Stärke der Truppe liegt seit Jahren unter dem Soll von 203 300 Soldatinnen und Soldaten in Friedenszeiten. Derzeit sind es rund 181 000. Das Verteidigungsministerium verweist darauf, dass zur Bündnisverteidigung innerhalb der Nato zwischen 370 000 und 460 000 Soldaten notwendig wären.

Nahezu parteiübergreifend ist man sich einig: Käme es zum Verteidigungsfall, hätte Deutschland ein Problem. Mit dem Kontingent-Wehrdienst erhofft man sich, die Reservekapazitäten zu füllen. Langfristig soll für die Union daraus ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr werden, das bei der Bundeswehr, dem Katastrophenschutz oder in sozialen Einrichtungen abgeleistet werden kann.

Bis es so weit ist, werde es aber dauern, so Merz in der ARD-Talkshow von Caren Miosga: „Das kann man nicht über Nacht machen. Wir sprechen von über 700 000 jungen Leuten pro Jahr, die wir erfassen müssen und auch entsprechend für den Wehrdienst mustern müssen.“ Dazu schreckt er auch vor einer Grundgesetzänderung nicht zurück. Denn laut Artikel 12a betrifft dies aktuell nur Männer. Es sei aber „selbstverständlich“, dass bei einer Wiedereinführung der Dienstpflicht auch Frauen gemeint seien, so Merz.

Dieser Vorstoß stößt bei der jungen Bevölkerung auf Widerstand. Laut einer Umfrage des Meinungsbarometers „MDRfragt“ sprechen sich zwei Drittel der unter 30-Jährigen gegen die Wehrpflicht aus. „Das finden wir nicht richtig, denn es geht darum, dass sich Solidarität und Gemeinsinn nur wirklich in Menschen verwurzeln, wenn sie sich freiwillig und selbstbestimmt dafür entscheiden können“, sagte die Vorsitzende des Deutschen Bundesjugendrings, Daniela Broda, dem MDR.

Inwieweit die im Grundgesetz verankerte Gewissensfreiheit im Ernstfall greift, dürfte eine weitere verfassungsrechtliche Frage darstellen. Laut Verfassung dürfte niemand gegen seinen Willen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden.

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