Es ist aus der Mode gekommen, die Dummheit von Zeitgenossen zu beklagen. So etwas verträgt sich doch nicht mit unserem Menschenbild, wonach wir doch alle ziemlich gleich sein sollen.
Umso lieber aber sprechen wir von den Dummheiten vergangener Zeiten.
Wie dumm war es doch 1871, dem besiegten Frankreich die Abgabe von Elsass-Lothringen aufzuzwingen, gegen den Willen einer Mehrheit der dort lebenden Bürger. Die damals nicht nur von Bismarck, sondern der Mehrheit des deutschen Volkes getragene Annexionspolitik wurde doch schließlich eine der Wurzeln des nächsten Krieges.
Sehr populär, aber ebenso töricht war dann im Kaiserreich der Bau der deutschen Hochseeflotte. Sie war einfach nicht groß genug, um England in die Knie zu zwingen. Gleichzeitig aber war sie für englische Augen bedrohlich genug, um England 1914 auf die Seite der Feinde Deutschlands zu ziehen.
Noch viel schlimmer war die Verblendung vieler Millionen beim Anhören einer Rede von Hitler oder seinem Propagandaminister Goebbels. Taucht so etwas heute in einem Dokumentarfilm auf, dann begreift niemand die Dummheit derer, die sich davon blenden ließen.
Glaubt aber wirklich jemand, dass die Mehrheit unseres Volkes früher dümmer war, als wir es heute sind? Das ist natürlich nicht der Fall. Es ist nur so, dass jede Zeit von bestimmten Vorurteilen, ja Glaubenssätzen, beherrscht wird, die sich später als unendlich töricht erweisen. Das aber, was heute blind geglaubt wird, immer wieder infrage zu stellen, wäre das Wichtigste überhaupt.
Anders als heute gelehrt, hängt politische Einsicht dabei wenig zusammen mit der allgemein so gepriesenen Bildung. Die viel gerühmten Bildungsbürger der Vergangenheit waren durchweg mehr von den Vorurteilen ihrer Zeit geprägt als „einfache“ Bauern oder Handwerker. Gerade die sogenannten Gebildeten sind es nämlich, die sich den jeweiligen Vorurteilen einer Zeit am wenigsten entziehen können. Das ist der Grund, dass besonders sogenannte Intellektuelle, studierte Leute, Fehler der Vergangenheit klar erkennen, Irrtümer der Gegenwart aber nicht sehen wollen.
Schiller hat gefordert: „Lebe in deinem Jahrhundert, aber sei nicht sein Geschöpf.“ Das wird nicht wirklich gelebt. Auch unsere viel gepriesenen Politiker und Medienvertreter sind eher Lautverstärker des Zeitgeistes. Wer sich dem nicht anpasst, wird zum Schweigen gebracht mit dem Vorwurf, gegen das zu verstoßen, was sich so schön „political correctness“ nennt.
In einem reizenden Theaterstück von Kurt Götz klagt der sympathische Professor Dr. med. Hiob Praetorius immer wieder: „Warum kann ich den Bazillus der menschlichen Dummheit nicht finden?“ Seiner Frau geht das schließlich etwas auf die Nerven. Sie sagt: „Liebling, wahrscheinlich weil du zu dumm dazu bist!“ Und so gilt ein bekanntes Wort des ersten Bundeskanzlers Adenauer bis heute. „Komisch“, meinte dieser fromme Katholik, „der liebe Gott hat allen Dingen eine Grenze gesetzt, nur der menschlichen Dummheit nicht.“
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