Voll auf Wagenknecht-Kurs

von Redaktion

Seit Jahren vertraut: Klaus Ernst soll den bayerischen Landesverband des Bündnis Sahra Wagenknecht anführen. © Bernd Settnik/Imago

München – Kürzlich flatterte ihm eine Mail ins Postfach, die sich erst mal ganz gut las. Der Absender zeigte Interesse am Bündnis Sahra Wagenknecht, jener jungen Partei, die es aus dem Stand ins Europaparlament und drei Ost-Landtage geschafft hat. Er wolle mitmachen, stand da, und er stehe selbstverständlich auch als Kanzlerkandidat zur Verfügung. „Eine Ausnahme“, sagt Klaus Ernst. „Den hab‘ ich nicht zurückgerufen.“

Der Weg zur Partei ist mit vielem gepflastert, auch mit Spinnern. BSW-Gründerin Wagenknecht hat ihren Leuten deshalb aufgetragen, knallhart auszusortieren: Spinner, Extremisten und all jene, die nicht voll auf der Linie der Chefin in Berlin sind. In Bayern ist man offenbar besonders gründlich gewesen. Wenn sich der BSW-Landesverband am Samstag in Ingolstadt gründet, wird er 96 Mitglieder haben. Eine kleine, handverlesene Truppe.

Der Freistaat ist eines der letzten Bundesländer, in denen das BSW Gestalt annimmt. Während man anderswo schon über Regierungsbeteiligungen verhandelt, ließ man sich hier Zeit. „Wir haben einfach keine Not gesehen, das alles so rasch zu machen“, sagt Ernst. „Die Länder mit Wahlen hatten Priorität.“ Aber nach dem Ampel-Bruch ist plötzlich Tempo angesagt. In Ingolstadt wird man sich deshalb nicht nur selbst feiern können, sondern muss sich auch fragen, wie dieser besonders kurze Wahlkampf zu schaffen ist.

Ernst (70), der vor dem BSW schon in drei anderen Parteien war, mischt noch mal ganz vorne mit. Der Ex-Linken-Chef will mit der Regensburger Stadträtin Irmgard Freihoffer (62) den Landesverband führen. Daneben wird es zwei Vizes und einen Schatzmeister geben, außerdem einen Beauftragten für jeden Regierungsbezirk. Sie sollen die lokalen Strukturen aufbauen. Er wolle das nicht mehr ewig machen, sagt Ernst. Aber es sei jetzt eben nötig, noch mal zu helfen. Zwei Mal schon hat er Parteien mit aufgebaut, die WASG, die Linke. Angeblich soll er einer jener Vertrauten gewesen sein, die die Chefin zur BSW-Gründung drängten. Der „Stern“ nannte ihn vor Monaten mal „den wichtigsten Mann“ für Wagenknecht.

Nun bastelt er nicht nur an der Bundespartei mit, sondern soll auch den Landesverband maßgeblich aufbauen. Daran, dass er ihn ganz auf Wagenknecht-Linie trimmen wird, besteht kein Zweifel. Zustände wie in Thüringen, wo Spitzenkandidatin Katja Wolf zuletzt nicht nach der Pfeife der mächtigen Chefin tanzen wollte, hält Ernst jedenfalls für schädlich – und teilt offen aus. Dass Wagenknecht durchgegriffen habe, sei richtig gewesen, sagt er. „Wir haben leider auch Leute, denen das Ministeramt wichtiger zu sein scheint als die Inhalte.“ Offenbar habe in Thüringen „die Auswahl des Spitzenpersonals nicht so richtig funktioniert“.

Dafür holte Wolf satte 15,8 Prozent – ein Wert, von dem das BSW im Freistaat derzeit weit entfernt ist. Bei der Europawahl kam die Partei hier auf 3,8 Prozent, in Umfragen liegt sie derzeit bei glatten fünf. „Das BSW hat es in Bayern schwerer als anderswo“, sagte der Passauer Politologe Heinrich Oberreuther jüngst der „Staatszeitung“. Themen, die im Osten Wähler anzogen, vertreten im Süden längst andere. CSU, Freie Wähler und AfD stehen für eine straffe Migrationspolitik, auch Kulturkampfthemen sind abgedeckt, Soziales fruchtet im wohlhabenden Bayern weniger als anderswo. Also alles auf die Ukraine? Ernst, der wie Wagenknecht mit Kreml-nahen Positionen auftritt, will das Thema zu einem der Schwerpunkte im Wahlkampf machen. Daneben Rente. „Unsere Perspektive in Bayern“, meint er, „ist sehr, sehr gut.“

Es fragt sich aber, wem das BSW hier die Stimmen abnehmen will. Im Osten wilderte es vor allem bei der Linken (bei der in Bayern nicht viel zu holen ist), im Nichtwählerlager, aber auch bei Union und AfD. In der Rechtsaußenpartei, mit der sich das BSW nicht zuletzt den Putin-treuen Kurs teilt, gibt man sich entspannt. „Ich glaube nicht, dass das BSW uns in Bayern schaden kann“, sagt AfD-Chef Stephan Protschka unserer Zeitung. Wer Wagenknecht gefolgt sei, gehöre zu den „linksten der Linken, das sind Kommunisten“. Sorgen mache er sich jedenfalls nicht. Ob er Recht hat, wird man sehr bald sehen.

Greift Ernst als BSW-Chef auch nach der Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl? „Darüber haben wir noch gar nicht gesprochen“, sagt er. Die Wahl-Listen wolle man im Dezember aufstellen. Kurios: Am Ende dürfte sich ein guter Teil der knapp 100 Mitglieder entweder in einem Parteiamt oder auf einer Liste wiederfinden.

Wagenknecht selbst bleibt dem Gründungsparteitag übrigens fern. „Nicht weil sie uns geringschätzen würde“, sagt Ernst. Sondern weil es die Zeit einfach nicht zulässt. Im Bundestagswahlkampf wird sie Bayern aber kaum auslassen können.

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