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Die Debatte sägt an Scholz‘ Autorität

von Redaktion

Pistorius der bessere Kandidat?

Der Erfolg von Boris Pistorius in den Umfragen ist schon ein Phänomen. Der Verteidigungsminister tingelt nicht durch Talkshows, er gibt keine spektakulären Interviews, er postet keine Bilder seines Essens. Wenn man genau hinsieht, dann verbucht der 64-Jährige nicht einmal spektakuläre Erfolge im Amt, mit denen er punkten könnte. Die Zeitenwende in der Verteidigungspolitik wurde zwar groß verkündet, ihre Umsetzung erweist sich jedoch als harte Kärrnerarbeit. Dabei geht es nicht nur um dringende Investitionen, sondern um den Kampf gegen allzu bürokratische Strukturen nicht zuletzt im Beschaffungswesen. Das versprüht eigentlich wenig Glamour.

Die Sehnsüchte in Teilen der SPD und weit darüber hinaus speisen sich vor allem aus einer banalen Tatsache: Boris Pistorius ist nicht Olaf Scholz. Der Verteidigungsminister dient in erster Linie als Projektionsfläche für einen Neuanfang, für eine verständlichere Sprache, für einen klareren Kurs. Das erinnert tatsächlich ein wenig an den fulminanten Start von Kamala Harris, die von den US-Demokraten umjubelt wurde, weil sie nicht Joe Biden war. Der Hype dauerte bekanntlich nicht allzu lange.

Dennoch hinkt der Vergleich. Denn Pistorius verfügt über jene Seriosität und Regierungserfahrung, die es für das Amt des Bundeskanzlers braucht. Kurioserweise waren das genau jene Attribute, die 2021 den im Wettstreit mit Armin Laschet scheinbar aussichtslosen Olaf Scholz unerwartet ins Kanzleramt trugen. Scholz punktete, weil man glaubte, er habe als Vize von Angela Merkel das Handwerk der Macht erlernt. An Laschets Eignung gab es Zweifel.

Deshalb zeigt der Rückblick auch, wie gefährlich die aufkommende Debatte für Scholz werden kann. Bislang wird sie nicht von der ersten Reihe der SPD geführt. Aber jede Wortmeldung aus der Partei, die ein Fragezeichen hinter seine Kandidatur setzt, nagt an der Autorität. So wie 2021 bei Armin Laschet.

Damals war es vor allem Markus Söder, der Laschets Eignung infrage stellte. Bei Scholz kommt der Ruf eher von der Basis. Die liefert zwar weniger Schlagzeilen, sollte aber nicht unterschätzt werden: Es sind die Kreis- und Ortsverbände, die Plakate kleben und bei winterlichen Infoständen mit den Wählern diskutieren sollen.
MIKE.SCHIER@OVB.NET

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