Ukraine: 1000 Tage voller Tränen

von Redaktion

Russen starteten schwersten Angriff seit Kriegsbeginn – Kiew unter Druck

Eine Frau im Südwesten der Ukraine wird nach einem Angriff von einer Psychologin unterstützt. © afp

Kiew/München – Die Frau weint. Auf ihrer Wange vermischen sich die Tränen mit der Erde vom Boden. Auch ihre Hände sind mit braunem Schmutz überzogen. Wieder einmal werden die Ukrainer von russischen Raketen attackiert, wieder einmal sterben Menschen. Doch dieses Mal ist es einer der schwersten russischen Luftangriffe seit Kriegsbeginn vor 1000 Tagen.

Die ganze Nacht zum Sonntag, bis in die Morgenstunden, wurde die Ukraine von insgesamt 120 Raketen und Marschflugkörpern sowie 90 Drohnen übersät. In der ukrainischen Hauptstadt Kiew sind am Morgen mehrere von der Flugabwehr ausgelöste Explosionen zu hören. Zwei Frauen sterben dort. In der Südukraine werden zwei weitere Frauen von Drohnen getötet, im Südosten sterben zwei Eisenbahner bei einem Beschuss eines Depots, im Westen kommt eine Frau durch herabfallende Trümmer ums Leben.

Wie der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mitteilt, wurde bei den Angriffen einmal mehr die Energieinfrastruktur des Landes beschädigt. Als Vorsichtsmaßnahme musste in mehreren Gebieten der Strom abgeschaltet werden, um einer Überlastung des Netzes vorzubeugen. Das Nachbarland Polen hat wegen des massiven Angriffs sogar Abfangjäger aufsteigen lassen.

Das russische Verteidigungsministerium hat den Schlag gegen die Energieinfrastruktur zwar bestätigt. Die anvisierten Objekte hätten allerdings die ukrainische Rüstungsindustrie mit Strom beliefert, begründet Moskau die Angriffe. Doch die Regierung in Kiew spricht längst von Kriegsverbrechen. Die Drohnen und Marschflugkörper seien gegen Städte, Infrastruktur und schlafende Zivilisten gerichtet. Dies sei „Putins wahre Antwort an all diejenigen, die ihn jüngst angerufen oder besucht haben“, teilt Außenminister Andrij Sybiha mit. „Wir brauchen Frieden durch Stärke, kein Appeasement.“

Eine klare Anspielung auf das Telefonat von Bundeskanzler Olaf Scholz mit dem Kremlchef Wladimir Putin. Während Scholz erneut einen Rückzug russischer Truppen forderte, bestand der Kremlchef auf den bekannten Bedingungen: Gebietsabtretungen der Ukraine und Verzicht der Ukraine auf eine Nato-Mitgliedschaft. Selenskyj hat unmittelbar danach Scholz‘ Telefonat mit Putin kritisiert.

Im dritten Kriegswinter stehen die ukrainischen Streitkräfte vor gewaltigen Herausforderungen: Im Osten gibt es Gebietsverluste. Mit Kurachowe steht eine wichtige Stadt kurz vor der Eroberung russischer Truppen. Weiter nördlich erhöhen die Russen nach britischer Einschätzung den Druck auf die Stadt Kupjansk – ein strategisch wichtiger Eisenbahnknoten.
HUD/DPA

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