Glaubt nicht an einen Unfall: Verteidigungsminister Boris Pistorius geht von Sabotage aus. © Mayo/dpa
München – Neue Eskalation im hybriden Krieg: Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) geht davon aus, dass die Unterbrechung von Unterwasser-Telefonkabeln unter anderem zwischen Deutschland und Finnland auf „Sabotage“ zurückzuführen ist. „Niemand glaubt, dass diese Kabel aus Versehen durchtrennt worden sind“, sagte Pistorius am Rande des EU-Verteidigungsministertreffens in Brüssel.
Es müsse angenommen werden, „ohne konkret zu wissen, von wem es kommt, dass es sich um eine hybride Aktion handelt“, fuhr der Minister fort. „Und wir müssen auch davon ausgehen, ohne es schon zu wissen, versteht sich, dass es sich um Sabotage handelt.“
Dafür spricht, dass auch ein weiteres Unterwasser-Kabel in der Ostsee beschädigt wurde. Das teilte der schwedische Minister für Zivilverteidigung, Carl-Oskar Bohlin, mit. „Es ist wichtig klarzustellen, dass wir derzeit zwei Kabel in der Ostsee haben, die nicht funktionieren“, betonte er. Die schwedische Regierung verfolge die Entwicklungen „sehr genau“ und steht in Kontakt mit ihren Behörden. Demnach handelt es sich bei dem zweiten beschädigten Kabel um eine Telekommunikationsverbindung zwischen Schweden und Litauen.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte in Berlin, die „hohe Bedrohungslage“ werde „sehr, sehr ernst“ genommen. Das Bundesaußenministerium von Annalena Baerbock (Grüne) sei im Austausch mit den finnischen Behörden.
Der finnische Technologiekonzern Cinia hatte am Montag mitgeteilt, dass aus ungeklärten Gründen das Unterwasserkabel Cinia C-Lion 1 zwischen Deutschland und Finnland durchtrennt sei. Deshalb seien die über das Kabel bereitgestellten Dienste unterbrochen. Das 1172 Kilometer lange Glasfaserkabel überträgt seit 2016 Daten zwischen Helsinki und Rostock „Wir können sagen, dass solcher Schaden nicht ohne irgendeinen externen Einfluss entsteht“, erklärte Cinia. Als Beispiel nannte der Konzern Schiffsanker und am Meeresgrund entlang gezogene Schleppnetze.
Aber auch gezielte Sabotage steht im Raum: Im vergangenen Jahr waren als Forschungsschiffe deklarierte russische Boote etwa in der Nähe von Offshore-Windfarmen und Nato-Schiffen aufgetaucht. Einige drangen vorübergehend in Gebiete für U-Boot-Übungen ein – oft mit ausgeschalteten Positionsmeldern und Militärspezialisten an Bord.
Rund 99 Prozent des interkontinentalen Internetverkehrs – also Daten, E-Mails oder Videocalls – werden durch rund 400 verlegte Unterseekabel transportiert. Durch Russland geht eine Vielzahl dieser Kabel, speziell jene, die Europa und Asien verbinden. Im Vorjahr hatte die EU angekündigt, neue Unterseekabel verlegen zu wollen, um unabhängiger von Russland zu werden.
Baerbock sagte, es gebe immer wieder „hybride Einschüchterungsversuche“: Cyberangriffe, das Ausspähen von kritischer Infrastruktur oder „plötzlich explodierende Pakete“. Im Juli hatte es am DHL-Frachtzentrum am Flughafen Leipzig einen Paketbrand gegeben. Wäre das an Bord passiert, hätte es einen Flugzeugabsturz auslösen können.
KLAUS RIMPEL