Wir leben in seltsamen politischen Zeiten, so seltsam, dass sich manche AfD-Politiker gerade für den Kanzler erwärmen: Der Bundestagsabgeordnete Jürgen Pohl will bei der Vertrauensfrage für Olaf Scholz stimmen, weil der mit Blick auf die Ukraine das „kleinere Übel“ sei als CDU-Chef Merz. Dass dahinter eine konzertierte AfD-Aktion mit dem Zweck stünde, Chaos zu stiften, ist nicht erkennbar. Die Ankündigung zeigt vielmehr die verschiedenen Interessenlagen in der Partei auf.
Pohl gehört zum engen Kreis um den Thüringer Landeschef Björn Höcke, bisweilen wird er vorgeschickt, um auszusprechen, was Höcke selbst (noch) zu heiß ist. Dass das frühere „Flügel“-Lager speziell Merz leidenschaftlich ablehnt, hat viele Gründe: Höcke/Pohl sind Kreml-nah, vertreten einen rechten Anti-Kapitalismus und sehen den Glücksfall ihrer Partei nicht in einem Bündnis mit, sondern in der Zerstörung der Union. Der lahme Scholz ist in allem bequemer als der Herzenskapitalist Merz.
Aufschlussreich ist, dass Pohl (und Höcke) nun nicht nur der Union an den Karren fahren wollen, sondern auch der eigenen Parteichefin. Alice Weidel, immerhin Kanzlerkandidatin, trommelt angesichts der Umfragen vehement für Neuwahlen. Dass ausgerechnet im Moment eines sich anbahnenden Erfolgs alte Lagerkämpfe aufblinken, hat schon etwas Ironisches. Lange war er gut kaschiert, aber der Richtungskampf in der AfD lebt.
MARCUS.MAECKLER@OVB.NET