So denkt die Region über Pistorius

von Redaktion

Scholz-Fan vom Tegernsee: Robert Kühn. © Th. Plettenberg

München – Mangelnden Optimismus kann man der SPD-Spitze nicht vorwerfen. Für den 30. November hat sie eine Zusammenkunft angesetzt, bei der die Kür des Kanzlerkandidaten besiegelt werden soll. Titel der Veranstaltung: „Wahlsiegkonferenz.“

Nicht jeder in der Partei hält das für einen angemessenen Titel, wenn auch kaum jemand seine Skepsis so unverblümt ausdrückt wie Knut Kreuch. Der Oberbürgermeister der thüringischen Stadt Gotha prophezeite den Sozialdemokraten gestern in der ARD eine „furchtbare Niederlage“. Er plädiert für Boris Pistorius als Spitzenkandidaten.

In Bayern fallen die Urteile nicht ganz so drastisch aus – und auch nicht so eindeutig für den Verteidigungsminister. „Ganz klar“ ist die Kandidatenfrage zum Beispiel für Michael Ernst, den Tölzer Ortsvorsitzenden der SPD: „Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich zur Verfügung gestellt, und da stehe ich voll dahinter.“ Für ihn gebe es gar keine Personaldebatte. „Wir haben einen Kandidaten, den unterstützen wir und stehen als SPD geschlossen hinter ihm.“

„Scholz soll unser Kandidat sein“, sagt auch Bad Wiessees Bürgermeister Robert Kühn. Er argumentiert, dass der Bekanntheitsgrad eines Kanzlers höher sei als der eines Verteidigungsministers. Vor allem aber „brauchen wir jetzt Stabilität, und die kann er gewährleisten“. Zweifel an der Führungsstärke des Kanzlers hält Kühn für unangebracht. „Jetzt hat er das Gegenteil bewiesen, und zwar auf seine eigene Art. Es ist die Art eines Hamburgers, das ist für Bayern vielleicht schwer zu verstehen.“

Weniger wohlwollend fällt die Einschätzung von Tobias Raphelt aus, dem Vorsitzenden der Lenggrieser SPD. Er spricht sich für Pistorius aus, „weil er in der jetzigen Situation die besseren Aussichten hätte“. Da die amtierende Regierung nach dem Bruch der Koalition gescheitert sei, hielte es Raphelt für das bessere Zeichen, einen Kandidaten aufzustellen, der für einen Neuanfang stehe. Dabei sieht er in der politischen Ausrichtung gar keine so großen Unterschiede. Pistorius sei aber das frischere Gesicht. Von Scholz hätte sich Raphelt hingegen gewünscht, „dass er immer so gesprochen hätte wie bei der Entlassung von Lindner“ – also deutlich bestimmter. „Ich hätte mir von ihm mehr Rückgrat und Kante erwartet.“

Ganz ähnlich formuliert es Peter Paul Gantzer. Der Haarer Gemeinderat, 30 Jahre für die SPD im Landtag, hat mit Pistorius im Arbeitskreis „Innere Sicherheit“ zusammengearbeitet. Er kennt ihn als „klaren, an Fakten orientierten Menschen“. Auch Scholz habe viele Qualitäten. „Aber bei der derzeitigen weltpolitischen, europäischen und deutschen Lage ist ein Kanzler gefragt, der ,klare Kante‘ zeigen kann, dem Führung zugetraut wird. Trump, Putin, Orban und viele andere verstehen nur die Sprache der Stärke.“ Die traut Gantzer eher dem Verteidigungsminister zu.
AST/LF/SH/MB

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