Augenscheinlich unbeeindruckt von den Diskussionen der vergangenen Wochen zeigt sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auch am Freitag. © Hannes P Albert/dpa
München/Berlin – Am Tag danach versucht Lars Klingbeil noch einmal zu erklären, warum seine Partei sich mal wieder so lange selbst gequält hat. „Die Entscheidung, mit welcher personellen Aufstellung wir in die Wahl gehen, die kannst du nicht übers Knie brechen“, sagt der SPD-Chef. Über Wochen haben sich die Sozialdemokraten nach dem Ampel-Aus mit der Frage beschäftigt, wer sie als Kanzlerkandidat in die Neuwahl führen soll. Der immer noch amtierende, aber furchtbar unpopuläre Olaf Scholz, oder sein Verteidigungsminister, der Umfragen-König Boris Pistorius. Scholz hat nun das Rennen gemacht – auch wenn streng genommen noch immer keine Entscheidung gefallen ist. Vielmehr hat sich der mögliche Kontrahent des Kanzlers selbst aus dem Spiel genommen. In einem Video erklärte Pistorius, für eine Kanzlerkandidatur stehe er nicht zur Verfügung.
Am Montag werde er nun gemeinsam mit seiner Co-Vorsitzenden Saskia Esken „dem Parteivorstand und dem Präsidium vorschlagen, dass wir mit Olaf in die Auseinandersetzung bei der nächsten Bundestagswahl gehen“, sagt Klingbeil. Dann ist es wasserdicht– auch wenn die offizielle Kandidatenkür erst beim Parteitag am 11. Januar stattfindet.
In der SPD-Bundestagsfraktion – wo Karrieren, Büros und Arbeitsplätze am Abschneiden bei der Neuwahl hängen – „spüre und sehe“ er „vor allem Erleichterung, dass das jetzt geklärt ist und man in den Wahlkampf starten kann“, sagt der Münchner Abgeordnete Sebastian Roloff unserer Zeitung. Tatsächlich hätte ein ausgewachsener Machtkampf um die Kanzlerkandidatur die Erfolgsaussichten der SPD wohl nicht unbedingt verbessert. Zumal es nicht mehr allzu lang hin ist bis zum 23. Februar.
Doch ist Scholz – als Kanzler das Gesicht der ungeliebten Ampel – wirklich erfolgversprechender für die Sozialdemokraten? In einer aktuellen Allensbach-Umfrage steht die SPD bei 15 Prozent. 2021 holte sie noch 25,7 Prozent. Das neue Politbarometer des ZDF sieht hingegen Pistorius im Kanzlerduell vor Unions-Kandidat Friedrich Merz (CDU) – es wurde erhoben, als diese Konstellation noch möglich erschien.
Pistorius-Unterstützer zeigen sich enttäuscht. „Ich bedauere diese Entwicklung“, sagt der SPD-Abgeordnete Joe Weingarten dem „Spiegel“. Ähnlich äußert sich Johannes Arlt. Gleichzeitig machen beide deutlich, dass sie sich einreihen wollen. Es sei „gut für die Partei und das Land“, dass es nun eine Entscheidung gebe, sagt Arlt. Weingarten betont: „Jetzt muss es das Ziel sein, gemeinsam und geschlossen das bestmögliche Wahlergebnis für die SPD zu erzielen.“
Juso-Chef Philipp Türmer geht da mit der Parteispitze härter ins Gericht. „Was war das eigentlich für eine Shit-Show in den letzten Wochen?“, fragt er bei einer Veranstaltung des SPD-Nachwuchses. Klingbeil und Esken hätten die Debatte mangelhaft moderiert, sagte er unter Applaus. Das Ergebnis hätte man „halt auch schon vor zwei Wochen haben können“.
Vielleicht war es auch die eigene Vergangenheit, die die SPD-Spitze an Scholz festhalten ließ. Zwei Kandidaten, die die Sozialdemokraten aufgrund ihrer Beliebtheit auf den Schild gehoben haben, sind am Wahltag hart gescheitert – 2013 Peer Steinbrück und 2017 Martin Schulz. Vielleicht war es aber auch die Hoffnung, „der Olaf“ werde die Lage auch diesmal wieder drehen, wie er es ja schon 2021 getan hat, als keiner auf ihn setzte.
Eine neue Eskalation in der Ukraine, eine Merz-Entgleisung, ein Renten-Wahlkampf, Trumps Amtsantritt – Stimmungen können sich ändern. Vor allem aber war es wohl ein Mann, der den Sturz von Olaf Scholz verhindert hat: Olaf Scholz – der nie den leisesten Zweifel daran entstehen ließ, dass er fest entschlossen ist, anzutreten.
Am Freitag geht der Bundeskanzler direkt in den Wahlkampf über. Die Bürgerinnen und Bürger hätten nun „die Wahl“, ob sie eine sozialdemokratische Politik wollten. Scholz verspricht, mehr zu tun für Sicherheit, ohne dass dies mit der Zukunftsfähigkeit des Landes oder den Lebensverhältnissen der Menschen bezahlt werde. „Das geht auch, wenn wir zusammenhalten“, sagt er.